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Drei italienische Lustspiele aus der Zeit der Renaissance

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ZWEITER AKT<br />

I. SZENE<br />

Cesare [allein)<br />

Über nichts in <strong>der</strong> Welt, was vom Schicksal kommt, können<br />

sich die Menschen mehr beklagen, als wenn es seine Gaben<br />

an solche gibt, die es nicht verdienen, wie zum Beispiel Reichtum,<br />

Kin<strong>der</strong>, Gesundheit, Schönheit und <strong>der</strong>gleichen. Denn<br />

erstens werden diejenigen dadurch gekränkt, die sie verdienten,<br />

und wenn das Schicksal sie denen auch noch gibt, scheinen sie<br />

ihnen durch den Vergleich nicht mehr gut. So bemühen sich<br />

denn die Menschen, da sie sehen, daß das Glück zwischen<br />

Bösen und Guten keinen Unterschied macht, nicht um die<br />

Bildung und Veredelung ihres Geistes, son<strong>der</strong>n dahin sich neigend,<br />

wohin ihr natürlicher Sinn sie zieht, nämlich zum Bösen,<br />

lassen sie sich fortreißen, so daß es nur wenige Gute und viele<br />

Schlechte gibt. Hier<strong>aus</strong> schließen dann die Toren, es gebe keine<br />

Vorsehung Gottes, indem sie sagen, daß, wenn Gott eine Vor<strong>aus</strong>sicht<br />

und zugleich eine Gerechtigkeit hätte, er nie zugeben<br />

würde, daß Unwürdige aller guten Gaben die Fülle hätten, und<br />

an<strong>der</strong>e, die ihrer wert wären, daran Mangel litten. Und obwohl ich<br />

diese Meinung nicht teile, gleichwohl, wenn ich diesen Aridosio im<br />

Besitz so vieler Güter sehe, die, wenn es nach Recht und Billigkeit<br />

ginge, ihm alle fehlen sollten, kann ich nicht umhin, daran<br />

zu zweifeln o<strong>der</strong> mich doch deshalb zu betrüben, zumal es mir<br />

zum Nachteil gereicht. Denn er ist ungemein reich, gesund und<br />

hat zwei sehr wackere Söhne und eine Tochter, die, wenn die Liebe<br />

mich nicht verblendet, die Schönste und Anmutigste von Lucca,<br />

nein, von ganz Italien ist. An<strong>der</strong>erseits, was für ein Mensch er ist,<br />

wenn ihr's nicht schon wißt, sollt ihr's jetzt hören. Er ist geizig,<br />

neidisch, heuchlerisch, hochmütig und beschränkt, lügnerisch,<br />

diebisch, treulos, ohne Scham, ohne Liebe und ohne Witz,<br />

kurz ein von Lastern und Dummheit erzeugtes Ungeheuer.<br />

Und mein böses Schicksal hat gewollt, daß ich so viel Üblem<br />

unterworfen sein muß. Ich nehme es <strong>der</strong> nicht übel, die mich<br />

ihm unterwarf, denn seit vier Jahren liebe ich Cassandra, seine<br />

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