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Südseitiger Aufstieg: durchs Kübelkar zum Ellmauer Tor<br />
»Kuhle« Sitze<br />
Nach gut zwei Stunden sitzt er im Ellmauer<br />
Tor. Die Dohlen dort kennen ihn<br />
schon, fressen ihm fast aus der Hand.<br />
Auch ein Ratsch mit einem der anderen<br />
Tourengeher(innen) geht fast immer. Die<br />
Atmosphäre hier heroben ist entspannt,<br />
der Horizont weit. Man sitzt bequem in<br />
einer der Schneekuhlen, die man selbst<br />
oder ein Vorgänger ausgeschaufelt hat und<br />
lehnt sich am rauhen Fels an. Wenn nicht<br />
der Eiswind über den Sattel pfeift, kann<br />
man es hier ewig aushalten.<br />
Einen Dohlenflügelschlag zur Rechten befindet<br />
sich die Rote-Rinn-Scharte, einen zur<br />
Linken liegt der Herrenstein. Für das Kaisergebirge<br />
eine ungewöhnliche Skitour, führt<br />
sie nicht durch ein steiles Kar oder eine wilde<br />
Rinne, sondern einfach über einen schönen,<br />
sonnigen Südhang. Fünf Euro kostet<br />
Toni die Tour auf den Herrenstein. Zahlbar<br />
ins Familiensparschwein. Dort wirft jeder<br />
ein, der sich mit dummen Sprüchen, Zuspätkommen<br />
oder ähnlichem etwas hat zu<br />
Schulden kommen lassen. Fünf Euro für<br />
seine Bemerkung »ausnahmsweise« auf den<br />
Wunsch von Frau und Tochter die gemütliche<br />
Firntour zum Herrenstein mitzugehen.<br />
Ende März. Tonis Terminplan für Kaisertouren<br />
wird jetzt immer voller. Allein in die<br />
Griesenau »muss« er mindestens zwei Mal.<br />
An einem Schönwettersonntag steht die Familientour<br />
auf die Fritz-Pflaum-Hütte auf<br />
dem Programm. Auch um Bertls Fahrzeug<br />
wuselt am Parkplatz eine Großfamilie.<br />
schnaufen ein wenig in der Querung zur<br />
Winkelalm und nehmen den letzten langen<br />
Hang in Angriff, der hinaufleitet bis<br />
unter den Felsansatz der Pyramidenspitze.<br />
Später im Jahr könnte man den versicherten<br />
Steig bis zum Gipfel hinaufwühlen.<br />
Aber eine Skitour ist das keine mehr, eher<br />
ein alpines Unternehmen. Nichts für Toni<br />
und Bertl. Die machen sich am Umkehrpunkt<br />
über die ersten Vanillekipferl von<br />
Bertls Frau her, dann geht es im kniehohen<br />
Pulverschnee hinab.<br />
Wenn die letzten Vanillekipferl aufgegessen<br />
sind, meist Mitte Januar, ist es an der<br />
Zeit, ins Ellmauer Tor zu gehen. Anders als<br />
das Winkelkar ist das Ellmauer Tor schon<br />
aus dem Tal gut einzusehen. Sobald das erste<br />
Zickzack einer Aufstiegsspur im Kübelkar<br />
zu entdecken ist, hält auch Toni nichts<br />
mehr. Für den breiten Kübel sind Tonis<br />
eigene Carver genau richtig. Beim Bau der<br />
Rinnen und Hänge hat der Herrgott am Radius<br />
seiner Ski Maß genommen. Sagt Toni.<br />
Bertl sagt: »Kannst<br />
ruhig zugehen.<br />
Bist eh schneller.«<br />
Nichts entspannt<br />
bei der ersten Tour<br />
im Winter so sehr<br />
wie dieser Satz.<br />
KOMPAKT<br />
Auf Skitour im<br />
Kaisergebirge<br />
Talorte: Kufstein: www.kufstein.at,<br />
Tel. 00 43/(0)53 72/6 22 07; Ellmau:<br />
www.ellmau.at, Tel. 00 43/(0)53 58/23 01;<br />
Going: www.going.at, Tel. 00 43/(0)53 58/<br />
24 38; Scheffau: www.scheffau.at,<br />
Tel. 00 43/(0)53 58/8 10 90<br />
Anfahrt: Von Norden über die Inntalautobahn<br />
bis Kufstein oder von Südwesten<br />
bis Wörgl. Oder Anfahrt über Kössen oder<br />
St. Johann, je nachdem ob man auf die<br />
Kaisersüdseite oder die -nordseite möchte.<br />
Beste Jahreszeit: Einige Touren sind<br />
im Hochwinter bereits möglich, besonders<br />
zu empfehlen sind die Monate März bis Mai.<br />
Karte: Alpenvereinskarte 1:25 000,<br />
Nr. 8 »Kaisergebirge«<br />
Literatur: Sepp Brandl »Skitouren Berchtesgadener<br />
und Chiemgauer Alpen mit<br />
Kaisergebirge und Steinberge«, Bergverlag<br />
Rother, München 2012; Markus Stadler<br />
»Skitourenführer Bayerische Alpen« (das<br />
Kaisergebirge ist aber dennoch enthalten!),<br />
Panico Verlag, Köngen 2012<br />
Von wegen zahm<br />
Zweieinhalb Stunden wird der Anstieg zur<br />
Fritz-Pflaum dauern. Obwohl es ein paar<br />
Steilstufen gibt, werden im weichen Vormittagsfirn<br />
alle problemlos dort oben ankommen.<br />
Wer mag, kann noch in eine von<br />
vier Scharten steigen. Zu erwarten ist das<br />
aber an diesem Tag nicht. Die Frauen haben<br />
Ripperl und frisches Bauernbrot dabei,<br />
Toni hat ein paar Flaschen Bier in seinen<br />
Rucksack geschmuggelt und seine Schwiegermama<br />
würde nie ohne Schmalzgebäck<br />
auf Skitour mitkommen. Eine sportlich ambitionierte<br />
Powertour wird der Ausflug zur<br />
Fritz-Pflaum nicht werden.<br />
»Mitte der Woche kommt Nachschub«, verspricht<br />
Bertl während der Brotzeit an der<br />
Fritz-Pflaum-Hütte. Damit meint er nicht<br />
das saftige Ripperl auf seinem Brot, sondern<br />
frischen Pulverschnee. Genüsslich<br />
schauen sie hinüber ins Schönwetterfensterl.<br />
Etliche Tourengeher steigen in das enge<br />
Kar auf. Am Sonntagmittag ist fast jeder<br />
Meter zerfahren, aber in ein paar Tagen,<br />
nach dem nächsten Schneefall …<br />
Steil und steiler wird es. Die Felswände<br />
wachsen zur Rechten und zur Linken in<br />
den Himmel. Seit Toni sich erinnern kann,<br />
gehört das Schönwetterfensterl zu seinen<br />
Lieblingstouren. Ein Spiel aus Licht und<br />
Schatten, aus glitzerndem Pulverschnee<br />
und düsteren Felszacken. Das Beste ist der<br />
Ausstieg durch den Felsspalt in die Scharte:<br />
sonnenverwöhnt, Blick nach Süden auf die<br />
Tauern – und das Gefühl, oben zu sein.<br />
Wirklich »oben« würde zwar heißen, auf<br />
die Westliche Hochgrubachspitze zu klettern,<br />
aber das gibt er sich nur alle paar Jahre,<br />
wenn die Verhältnisse wirklich gut sind<br />
und er sich wieder einmal beweisen<br />
42 Bergsteiger 01⁄15