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Ich habe keine Freunde. Ich habe kein<br />
Herz. Ich habe keine Ziele. Daniel Ilg<br />
hat drei Herzen, sieben Freunde und<br />
zwölf Ziele. Eins davon ist der Großglockner,<br />
3798 Meter hoch, der höchste<br />
Berg Österreichs. Linke Maustaste. Jetzt ist<br />
es unser Ziel.<br />
Ein paar SMS und zwei Anrufe später warte<br />
ich an einem Pendlerparkplatz an der<br />
A8 auf den Mann mit den drei Herzen, mit<br />
dem ich eine Matratze teilen, um halb fünf<br />
aufstehen, mich ans Seil binden, einen<br />
Gletscher queren, an die Grenzen kommen,<br />
eine Entscheidung treffen werde.<br />
Wir haben uns über »mountix« gefunden,<br />
einem sozialen Netzwerk für Bergsteiger.<br />
Bergkameradschaft ist schon ohne Internet<br />
ein heikles Thema. Wer ins Kino geht,<br />
sieht entweder Reinhold Messner seinen<br />
verschollenen Bruder am Schicksalsberg<br />
suchen oder Simon Yates unter Höllenqualen<br />
ein Seil durchschneiden, an dem<br />
ihn der gestürzte Joe Simpson langsam<br />
mit in den Abgrund zieht. Alles ist hoch<br />
dramatisch und meistens auch pathetisch,<br />
großes Gefühlskino. Solche Filme sind es,<br />
Daniel Ilg hat drei Herzen,<br />
sieben Freunde und zwölf<br />
Ziele. Eins davon ist<br />
der Großglockner. Klick.<br />
Jetzt ist es unser Ziel.<br />
mountix-Mitglied Daniel Ilg am Stüdlgrat:<br />
»Die Westseite ist heute die Bitch.«<br />
die in den Köpfen der Menschen hängenbleiben.<br />
Vielleicht empfinden deshalb so<br />
viele die Seilschaft als einzig verbliebene<br />
menschliche Beziehung, die erst der Tod<br />
scheidet. Umso größer sind die Vorbehalte<br />
gegenüber dem Kameraden per Klick.<br />
»Als Bergsteiger merkst du doch gleich, ob<br />
du dich von dem sichern lassen willst«. Das<br />
sagten die Kollegen am Vorabend, und ich<br />
rede es mir ein, als der rote BMW mit dem<br />
vereinbarten Kennzeichen auf den Parkplatz<br />
rollt, einem trostlosen Ort, den außer<br />
Pendlern höchstens die Kripo zu Gesicht<br />
bekommt. Allzu lang bleiben wir nicht.<br />
Hallo, Servus, tut mir leid der Stau, fester<br />
Handschlag, gelbes T-Shirt, wir fahren los.<br />
Drei Stunden bis nach Kals am Großglockner,<br />
drei Stunden Kennenlernzeit.<br />
Es ist nicht so, dass Daniel Ilg niemanden<br />
hätte. Da sind Ludwig, Anne, Michl, Dennis,<br />
Gabor, Sebastian und noch ein<br />
Fotos: Mauritius Images / Gerhard Wild, Thomas Ebert<br />
01⁄15 Bergsteiger 65