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Kolumbianische Bergsteiger haben die<br />
Rosettenpflanzen, die wie Leute mit<br />
kuriosen Kopfbedeckungen aussehen,<br />
als Wahrzeichen auserkoren. Die Frailejones<br />
sind das Edelweiß der Anden.<br />
»Pocho«, Pionier des sanften Tourismus<br />
der Páramo entwickeln: ein Ökosystem der<br />
nördlichen Anden, oberhalb der Baumgrenze,<br />
aber unterhalb der Gletscher.<br />
Diazgranados, ein schlanker Mann mit lockigem,<br />
dunkelblondem Haar, gepflegtem<br />
Bart und Intellektuellenbrille, ist Direktor<br />
des Botanischen Gartens in Bogotá und<br />
Páramo-Spezialist. Er beschäftigt sich seit<br />
Jahren mit dem Ökosystem. Aktuell erforscht<br />
er für das Smithonian Institut die<br />
Auswirkungen des Klimawandels auf die<br />
sensible Familie der Espeletiinae: besagter<br />
Rosettenpflanze, die in der Dämmerung<br />
menschenähnliche Züge annimmt. Die<br />
Spanier gaben ihr in ihrer Unwissenheit einen<br />
menschelnden Namen: »Frailejones«,<br />
nach dem spanischen Wort für Mönch,<br />
»fraile«. Sie dachten offenbar an Ordensleute,<br />
die große, geschwungene Kopf bedeckungen<br />
trugen. Kolumbianische Alpinisten<br />
haben die kuriosen Kerle zu ihrem<br />
Wahrzeichen gemacht. Die Frailejones sind<br />
das Edelweiß der Anden.<br />
Die immense Nässe ihres Zuhauses, des<br />
Páramo, die den Spaniern zum Verhängnis<br />
wurde, ist für Bogotá ein Segen. 80 Prozent<br />
des Wassers der Metropole mit acht Millionen<br />
Einwohnern stammt von hier. Von<br />
der Quelle des Flusses Guatiquía wird es<br />
unterirdisch durch Tunnel und Kanäle 38<br />
Kilometer weit transportiert.<br />
Wasserreservoir für die Metropole<br />
Das Wasser, das Gräser, Farne, Moose, Büsche,<br />
Stauden und Frailejones aus der Luft<br />
aufnehmen, stammt aus dem Orinoco-<br />
Delta und dem Amazonas-Gebiet. Mächtige<br />
Luftströmungen tragen die feuchte Luft<br />
an die Cordillera Oriental heran, den östlichen<br />
Ausläufer der Anden, wo sie zu Nebel<br />
kondensiert. Die Pflanzen nehmen es auf<br />
und geben es ab, permanent. Sie überziehen<br />
die Höhenzüge der Páramos mit einem<br />
dichten, unterschiedlich grünen Teppich.<br />
»Es sieht aus wie im Lake District«, sagt der<br />
Waliser Gareth, der gerade den höchsten<br />
Punkt eines zweitägigen Páramo-Trekkings<br />
erreicht hat. Blickt er zurück, staffeln sich<br />
die grünen Hügel hintereinander, die ihn<br />
an den Nationalpark in Großbritannien erinnern.<br />
Blickt er nach vorne, sieht er auch<br />
Bergrücken, aber bevölkert von Frailejones.<br />
Dass hier überhaupt Pflanzen gedeihen, ist<br />
eigentlich unlogisch. »Der Boden ist wahnsinnig<br />
sauer«, erklärt Mauricio Diazgranados,<br />
»außerdem sehr nährstoffarm«. Es gebe<br />
nur wenige Mikroorganismen, und die<br />
verwesten sehr langsam. »Physiologisch ist<br />
das eine Wüste.« Umso komplexer sind die<br />
Pflanzen, die sich dort entwickelt haben.<br />
Und desto weniger erstaunlich, dass sie<br />
Formen haben, wie ihre Verwandten in der<br />
Wüste: Rosetten, dicke Stämme, fleischige,<br />
manchmal haarige Blätter – selbst, wenn<br />
es einen Monat lang nicht geregnet hat,<br />
sind sie noch nass.<br />
Für Bergsteiger, die in den Alpen sozialisiert<br />
wurden, bedeutet ein Trekking im Chingaza-Nationalpark<br />
zunächst einmal, ein Gut-<br />
Willkommen im saugenden Untergrund: Nur am höchsten Punkt des Trekkings ist kurz Pause von der Schlammschlacht.<br />
80 Bergsteiger 01⁄15