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Als die Nebel sich doch noch lichten,<br />
senkt sich die Dunkelheit<br />
herab. Der weiße Dunst, der<br />
die Bergsteiger den Tag über<br />
immer wieder eingehüllt<br />
hatte, zieht sich wie ein Theatervorhang<br />
sachte zurück. Und gibt den Blick gerade<br />
noch rechtzeitig frei in eine einsame Landschaft,<br />
die seltsame Wesen bewohnen.<br />
Eine Armee dürrer, langer Gestalten mit<br />
wuchtigen Kronen auf dem Kopf bevölkert<br />
die Hänge. Luftlinie nur knapp 80 Kilometer<br />
von der kolumbianischen Hauptstadt<br />
Bogotà entfernt, ist der Bergwanderer hier<br />
mitten in der Wildnis: mitten im Páramo<br />
und mitten im Nationalpark Chingaza.<br />
Die Anden-<br />
Apotheke<br />
Die silbrige Stunde<br />
In anderen Regionen trägt der Moment, in<br />
dem sich das Tageslicht verabschiedet, den<br />
Namen »blaue Stunde«. Für den Páramo<br />
bedarf es eines neuen Namens. »Silbrige<br />
Stunde«? Denn jetzt leuchten die haarigen,<br />
fleischigen Blätter der Espeletiinae, wie die<br />
eigenartigen Pflanzen heißen, die hier zuhause<br />
sind, besonders hell vor dem in vielen<br />
Facetten dunkelgrünen Hintergrund<br />
der Berghänge, an denen sie wachsen.<br />
»Nebel der Hölle« nannten spanische Eroberer<br />
in Reiseberichten die Schwaden, die<br />
ihnen das Durchqueren dieser sumpfigen,<br />
unwegsamen Landschaft auf über 3000<br />
Metern noch schwerer machten, als es Kälte<br />
und Schlamm ohnehin schon taten. 20<br />
Mann und Pferde verlor ein Gesandter der<br />
kastilischen Krone an einem einzigen Tag.<br />
Er hatte den direkten Weg von den Llanos,<br />
den Ebenen des ost-kolumbianischen Tieflandes,<br />
über den östlichen Ausläufer der<br />
Anden nach Bogotá gesucht. Gefunden<br />
hatte er eine von Gletschern geformte<br />
Landschaft und ein einzigartiges Ökosystem.<br />
Er wusste es nur nicht zu schätzen.<br />
Zunächst. Bis er beobachtete, wie die indigene<br />
Bevölkerung in den Lagunen Goldschätze<br />
als Opfergaben versenkte.<br />
artenreichste Hochgebirge der Welt<br />
Die spanischen Eroberer hatten Angst vor den<br />
»Nebeln der Hölle« des Páramo in den Anden.<br />
Heute sind Biologen von dem Gebiet zwischen<br />
3000 und 4000 Metern nahe Bogotá begeistert<br />
und nennen es »Himmelsinseln«. Autorin Sandra<br />
Zistl war auf Trekking-Tour in der Zauberwelt.<br />
Alle Fotos: Sandra Zistl<br />
Frailejones – Pflanzen in Mönchsgestalt<br />
Heute ist es ein Biologe, der dort noch immer<br />
ungeahnte Schätze birgt. »Die Páramos<br />
sind – oberhalb der Baumgrenze – das<br />
diverseste Ökosystem der Welt.« Mauricio<br />
Diazgranados macht eine rhetorische Pause,<br />
bevor er den nächsten Trumpf zieht:<br />
»Hier leben mehr als 4500 unterschiedliche<br />
Pflanzen. Es ist eine einzige, große<br />
Apotheke.« Auch er hat einen Namen für<br />
die Region: »Himmelsinseln«. Denn nur in<br />
isolierten Bergregionen der Welt, die über<br />
feuchtes Klima verfügen, konnte sich<br />
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