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schaftler, geheimnisvoller indigener<br />
Völker, des von Gabriel García<br />
Márquez erfundenen magischen<br />
Realismus in der Literatur, Heimat<br />
sehr zugewandter Menschen<br />
in einfachen Dörfern, unfassbar<br />
reicher Großstadtbewohner und<br />
unfassbar armer Bauern. Und gigantischer<br />
Berge. Der Tourismus<br />
dort ist erst im Entstehen begriffen.<br />
(s. Bergsteiger KOMPAKT).<br />
Die Guides sind professionell ausgebildet,<br />
die Infrastruktur ist vielerorts<br />
rudimentär. Dafür umso<br />
authentischer. Wer in Kolumbien<br />
wandert, klettert oder hohe Gipfel<br />
besteigt, schläft viel in Privatunterkünften,<br />
einfachen Pensionen<br />
oder im Zelt.<br />
Uribe räumte im Dschungel auf<br />
Pocho und seine Kollegen legen<br />
großen Wert darauf, die lokale<br />
Bevölkerung in ihr touristisches<br />
Angebot zu integrieren. Einen<br />
seiner größten Glücksgriffe hat<br />
er mit Miller León gemacht. Der 26-jährige<br />
Hilfsarbeiter stammt aus dem Dorf San Juanito,<br />
dem Endpunkt des Páramo-Trekkings,<br />
und verdient als Guide das Fünffache seines<br />
Feldarbeiter-Lohns. Miller mag hinter<br />
mehr als sieben Bergen aufgewachsen sein,<br />
doch sein Intellekt, seine Wissbegierde,<br />
sein Wunsch, Dinge mitzuteilen, ist global.<br />
Während die Gruppe 1800 Höhenmeter absteigt,<br />
erzählt er von seiner Heimat; deutet<br />
auf Bromelien, die mit jedem Meter, den<br />
die Touristen weiter in den Nebelwald vordringen,<br />
größer werden. Entdeckt Vögel,<br />
Orchideen – und erzählt der Reporterin<br />
davon, wie es war, als die Guerilla an diesen<br />
Hängen Unterschlupf suchte.<br />
Die FARC nahm hier keine Geiseln, dafür<br />
sind die Menschen zu arm. Die Guerilleros<br />
Einst lagen Schätze am Seegrund. Heute sprießen sie davor.<br />
zogen sich hierher zurück, um zu entspannen<br />
und neue Soldaten zu rekrutieren.<br />
Miller widerstand der Versuchung. Seine<br />
Mutter hatte ihm das Versprechen abgenommen,<br />
dass er erst einmal die Schule<br />
fertig macht. Auf dem Weg zum Unterricht<br />
fingen sie ihn ab. »Sorry, ich mach<br />
erst meinen Abschluss«, war seine Antwort.<br />
»Die Guerilla, das waren Leute wie<br />
ich«, sagt er jetzt mit gesenkter Stimme. Er<br />
hat das noch nie einem Fremden erzählt.<br />
»Die wollten nicht töten. Die wollten einfach<br />
nur überleben.«<br />
Weniger gut zu sprechen ist er auf das Militär<br />
– obwohl das ab 2002 im Auftrag von<br />
Präsident Álvaro Uribe aufräumte. »Als ich<br />
sie sah, waren sie schon im Dorf«, erinnert<br />
sich Miller. Die Soldaten des Staates horchten<br />
die Bewohner aus und schossen<br />
in den Dschungel, wo sie die<br />
FARC vermuteten. Niemand starb,<br />
aber die müden Krieger zerstoben<br />
in alle Himmelsrichtungen.<br />
Jungfräuliche Banane<br />
Heute sind es wenn, dann Bergsteiger,<br />
die wie im Western nach<br />
dem Abstieg mit schweren Schritten<br />
ins Dorf einlaufen. Leute blicken<br />
von ihren Empanadas auf,<br />
Kinder rennen hinterher, Hunde<br />
kläffen. Im Dorfrestaurant erwartet<br />
die müde Truppe eine Auswahl<br />
an vier verschiedenen, frischen<br />
Säften: Brombeere, Mango, Lulo,<br />
Guave. Die Dorfältesten schlürfen<br />
sie aus Halbliter-Krügen.<br />
San Juanito liegt auf 1800 Metern,<br />
doch seine Vegetation ist<br />
tropisch. Die Fruchtbarkeit dürfte<br />
der Grund gewesen sein, weshalb<br />
ein Padre vor gut 100 Jahren<br />
überhaupt ein Dorf hier gründete:<br />
mitten in den Bergen, ohne Straße,<br />
umgeben von grünem Dickicht. »Ein<br />
Verrückter«, sagt Miller und schüttelt den<br />
Kopf. Die Fertilität hat sich auch in die<br />
Volkslieder eingeschlichen – auf die in<br />
aller Welt gängige, volkstümliche Art und<br />
Weise der wenig sensiblen Doppeldeutigkeit.<br />
Don Carlos, ein Dorf barde, dessen<br />
Sangeskunst Troubadix aus den »Asterix<br />
und Obelix«-Comics ernsthafte Konkurrenz<br />
macht, singt mit Inbrunst von der Banane,<br />
die ein Mann gerne in die Passionsfrucht<br />
einer schönen Frau stecken möchte. Als er<br />
bemerkt, dass ein Teil der Touristen-Gruppe<br />
Spanisch versteht und die Stirn runzelt,<br />
schiebt er flugs ein Kirchenlied hinterher,<br />
das von einer anderen Jungfrau handelt.<br />
Jener mit der unbefleckten Empfängnis.<br />
(Video auf www.bergsteiger.de)<br />
◀<br />
Widerstand gegen die Guerilla: Miller León<br />
Die Guides sind gut ausgebildet, oft ist die<br />
Infrastruktur aber einfach. Dafür umso<br />
authentischer. Bergwandern und Klettern<br />
in Kolumbien heißt: in kleinen Pensionen,<br />
bei Privat oder im Zelt schlafen.<br />
82 Bergsteiger 01⁄15