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Berglust

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Wanderer unter dem<br />

Wolkenmeer mit Blick<br />

auf die Hänge, an<br />

denen sich einst die<br />

Guerilla versteckte<br />

teil des Wissens um die eigene Trittsicherheit<br />

zu verabschieden. Stiefel flutschen zur<br />

Seite, als wolle sich ein Marionettenspieler<br />

einen Spaß mit seinen Figuren machen, indem<br />

er ihnen die Füße unter dem Körper<br />

wegzieht. Wer Glück hat, fängt sich mit<br />

seinen Teleskop-Stöcken auf. Wer seinen<br />

Fuß jedoch auf einen der vermeintlichen<br />

Moosballen setzt, dem helfen auch die Stöcke<br />

nicht mehr. Er versinkt im saugenden<br />

Schlamm-Schlund bis zum Schritt.<br />

Das wäre nun alles andere als reizvoll,<br />

wenn das Ganze nicht in so sagenhafter<br />

Landschaft passieren würde. »Brilliant«,<br />

lautet der Kommentar einer weiteren Bergsteigerin<br />

aus England, die zum ersten Mal<br />

im Páramo unterwegs ist und gerade einen<br />

wenige Zentimeter hohen Farn entdeckt<br />

hat, der seinen gekringelten Kopf keck aus<br />

dem ihn umgebenden Moos streckt wie<br />

den Krummstab eines kirchlichen Würdenträgers.<br />

Gemeinsam mit neun anderen<br />

Wanderern verschiedener Nationalitäten<br />

ist sie auf einem zweitägigen Trekking unterwegs.<br />

Von der Lagune Chingaza (3200m)<br />

im gleichnamigen Nationalpark führt es<br />

auf einer alten Transportroute über einen<br />

3900 Meter hohen Pass und am nächsten<br />

Tag durch mehrere Klima-Zonen hinab in<br />

das Dorf San Juanito (1800 m).<br />

Noch vor 20 Jahren war der sumpfige Pfad<br />

die einzige Verbindung der kleinen Siedlung<br />

mit der Außenwelt. Heute ist der einsame,<br />

etwa 28 Kilometer lange Weg Sinnbild<br />

einer neuen Ära in Kolumbien.<br />

Sanfter Bergtourismus statt Guerilla<br />

»Bei Kolumbien denken die Leute immer<br />

noch: Drogen, Geiseln, Guerilla.« Die<br />

dunkelbraunen Augen von Wanderführer<br />

Carlos Avellaneda Valcárcel, genannt<br />

»Pocho«, glühen, als er das am Abend des<br />

ersten Trekking-Tages beim Schein von<br />

Stirnlampen erzählt. Er ist seit 30 Jahren<br />

im Geschäft und kann beurteilen, wie gefährlich<br />

es denn nun wirklich ist oder war,<br />

sich in Kolumbien in die Bergbüsche zu<br />

schlagen – per se ein bevorzugtes FARC-<br />

Gebiet. »Mitte der Neunziger konnten wir<br />

nicht raus aus Bogotà, zu gefährlich. Aber<br />

diese Zeiten sind: pasados.« Pochos Hände<br />

ziehen einen Schlussstrich in der Luft.<br />

Gemeinsam mit seinen Kollegen der Guide-<br />

Vereinigung »Caminantes del Retorno« ist<br />

er dabei, eine neue Form des sanften Bergtourismus<br />

zu etablieren. Die Tour, auf der<br />

er gerade mit einer Trekkinggruppe aus<br />

England und Deutschland unterwegs ist,<br />

gibt es offiziell eigentlich noch gar nicht.<br />

Doch da Pocho schon seit Jahren mit stetem<br />

Überzeugungstropfen den Stein der extrem<br />

auf Naturschutz bedachten Parkverwaltung<br />

höhlt, hat er zwar viel Aufwand, um<br />

Touristen auf diesen Weg bringen zu dürfen<br />

– aber auch jedes Mal Erfolg. Zum achten<br />

Mal ist er hier unterwegs, zum zweiten<br />

Mal mit Nicht-Kolumbianern.<br />

Tourismus in Kolumbien, das war lange<br />

Zeit etwas für Möchtegern-Desperados.<br />

Dann, mit verschwindendem Einfluss der<br />

Guerilla, begann die Karibik-Küste zu locken<br />

mit der Leichtigkeit und Sinnlichkeit<br />

von Shakira-Songs; die Kaffee-Anbaugebiete<br />

fanden ihre Fans, allmählich auch wieder<br />

die Berge. Und zwar was für Berge! Die<br />

Anden teilen sich ziemlich genau an der<br />

Grenze zwischen Kolumbien und Ecuador<br />

auf in drei dicke Arme: drei lange Kordilleren<br />

voller Gipfel, Grate, Täler, Ebenen und<br />

unterschiedlichster Landschaften. Kolumbien<br />

hat sowohl eine Küste in der Karibik,<br />

als auch eine am Atlantik. Es birgt ewiges<br />

Eis und schwerfeuchte, tropische Regionen.<br />

Es ist das Zuhause kluger Wissen-<br />

01⁄15 Bergsteiger 81

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