NAU 14 200866Auffindungschance von großen und auffälligenFundstücken, wie Werkzeugen aus Geweihoder Stein, gegenüber kleinen Objekten erklärtwerden. Auch die Intensität der Forschung– sei es durch die zuständigen Behörden oderprivate Sammler – kann diese Beobachtungnicht vollständig erklären. Es ist in diesem Fallwahrscheinlich, dass der Fundniederschlag tatsächlicheine intensivere Nutzung der in densteinzeitlichen Epochen noch begehbaren Elbniederungwiderspiegelt. Bedeutsam ist dies vorallem auch in Hinblick auf die archäologischnoch weitgehend unerschlossenen Gebiete imBereich des Küstenflachmeers. Wenn hier bislangkeine steinzeitlichen Funde zum Vorscheingekommen sind, dann sicher nicht deshalb, weilder Mensch dieses über lange Zeiträume derpostglazialen Klimaerwärmung begeh- und besiedelbareGebiet nicht nutzte.Hydroakustische Untersuchungen amBeispiel der Untersuchungen auf der ElbeBei Planungsvorhaben im Maßstab der ElboderWeservertiefung, gibt es beim heutigenStand der Technik archäologisch zum Einsatzvon Hydroakustik keine Alternative. Selbstwenn Sicht- und Strömungsbedingungen systematischeBeobachtungen durch Forschungstauchereinsätzeerlauben würden, wären die zubewältigenden Flächen zu groß, als dass mansie mit Tauchern durchführen könnte. AndereMöglichkeiten der Fernerkundung, die andernortsmit großem Erfolg eingesetzt werden – wieetwa die Luftbildarchäologie – sind ebenfallsvor allem wegen der in den zu untersuchendenFlussgebieten vorherrschenden starken Wassertrübungnicht einsetzbar. Bezeichnend ist, dassunsere Versuche mit einem ROV (RemotelyOperated Vehicle), den wir zu ferngesteuertenVideofahrten über potenziellen Fundstelleneinsetzten, keinerlei aussagefähigen Ergebnisseerbrachten. Sonare werden unter solchen Bedingungenhingegen bereits seit Jahrzehnten erfolgreicheingesetzt (Fish/Carr 1990; Wendt etal. 1998; Wendt/Ewert 2001; Lurton 2002;Blondel et al. 1997).Für unsere Untersuchungen auf der Elbe setztenwir das „SES 2000 Standard“ Side Scan Sonarder Firma „Innomar Technologie GmbH“,Rostock ein. Als Arbeitsbasis für die Messfahrtendiente das Mess- und ArbeitsschiffNIGE WARK der Hamburg Port Authority,welches uns zwischen dem 01.05.2005 und dem08.06.2005 zur Verfügung stand (Abb. 7). LeitenderHydrograph war Peter Hümbs, InnomarTechnologie GmbH, die archäologische Leitunglag bei R. Blankenfeldt und F. Huber.In der Regel wurde mit 100 kHz gefahren. Dielateralen Bestreichungsbreiten („ranges“) warenauf 40 m festgelegt, wobei das Messschiff aufvorher festgelegten, in 70 m-Abstand parallelzueinander verlaufenden „lines“ navigierte. Diehydrographisch abgetasteten parallelen Streifenwaren somit als sich überschneidende Flächenangelegt. Kontrolliert wurde der entsprechendeMessvorgang am Monitor, auf dem der hydroakustischabgedeckte Bereich vom Schiffsführer,Hydrographen und Archäologen verfolgt werdenkonnte. Weitere Gewähr für eine lückenlose Abdeckungder zu befahrenen Unterwasserarealeund als Grundlage für die absolute Einmessungder Schallbilder bildete ein Differential-GPS-System, welches bei störungsfreiem Betrieb eineMessgenauigkeit von 1,5–3 m erlaubt. Zusammenmit entsprechender Software eingesetzt,ergeben sich als Arbeitsergebnis messtechnischsehr genaue, digitale, georeferenzierte Schallbilder.Da im Unterschied zum Planungsvorhaben ander Weser zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellungfür die Elbe keine aktuellen Ergebnissevon Sonarbefahrungen vorlagen und unsere Arbeitensich nur auf bereits 10 Jahre zurückliegendeStudien (Kolb 1995) beziehen konnten,war der Umfang der durchzuführenden Arbeitenbeträchtlich. Ein wichtiger methodischerSchritt stellte daher, wie am Beispiel der Weserdargelegt, die Festlegung von Arbeitsschwerpunktenbzw. Messgebieten dar. Einen solchenSchwerpunkt mussten zunächst alle Areale,die unmittelbar von den Baggermaßnahmenbetroffen sein würden, bilden. Hierzu gehöreninsbesondere die Lateralränder der Baggertrasseund somit die Randbereiche der Fahrrinne. InBezug auf dieses Untersuchungsziel wurden flächendeckendauf der gesamten Länge zwischenHamburger Hafen und Elbeästuar parallel zumFahrrinnenrand verlaufende Linien befahren.Auf eine umfassende Befahrung der Fahrrinneselbst konnte hingegen verzichtet werden. Diesewird im Auftrag des BSH regelmäßig durchVermessungsschiffe mit Sonartechnik beobachtetund auf Veränderungen im Untergrund undUnterwasserhindernisse untersucht. Durch dieseArbeiten bereits bekannte Wrackpunkte konntengezielt angefahren werden. Eine sofortige undeindeutige Abbildung eines bekannten Wracksgelang dabei allerdings selten (Abb. 8): Da aufgrundder Sedimentmobilität des Flussbettes diezeitweise Überdeckung eines bekannten Unter-
Archäologische Gutachten … für die geplanten Fahrrinnenanpassungen von Elbe und WeserAbb. 8: Elbe. Deutlich zu erkennendes eisernes Wrack während der Befahrung,Position bekannt durch BSH. Screenshot: Bildschirm SES 2000 Standard, InnomarTechnologie GmbH, Rostock.wasserhindernisses möglich ist, mussten mancheObjekte mehrfach befahren werden. In solchenFällen wurde stets angestrebt, die Objekte ausunterschiedlichen Winkeln anzunavigieren, sodass die mehrfach hydroakustisch vermessendenAreale auch nach mehreren, unterschiedlichangelegten Messsystemen untersucht wurden.Messflächen wurden außerdem sowohl auf denbereits festgelegten Klappstellen als auch aufArealen eingerichtet, innerhalb derer weitere,zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung in ihrerPosition noch nicht exakt bekannten Ablagerungsflächenausgewiesen werden sollen.Einen zweiten Arbeitsschwerpunkt bildetenAreale, welche als potenzielle Gefahrenstellenfür die historische Schifffahrt rekonstruiertwerden können. Zur Identifizierung entsprechenderStellen war im Vorfeld über die Analysehistorischer Karten Veränderungen bestimmterSandbänke im Laufe der Zeit ermittelt, mit demheutigen Erscheinungsbild verglichen und ggf.mit den Positionen bekannter Havarien undSchiffswracks abgeglichen worden. Diese Auswertungdigital übereinander gelegter aktuellerund historischer Karten zeigt auf der Zeitachseeklatante Unterschiede. Form und Ausdehnungder Sandbänke sowie der Wattkanten sind offenkundigstarken Umlagerungen durch Erosions-und Sedimentationsprozesse unterworfen.Diese extremen Veränderungen sind innerhalbder Elbe und des Mündungsbereichs in dieNordsee bereits durch den Vergleich modernerSeekarten aus jeweils einem Jahrgang zu erkennen.Ein Anteil der Befahrungszonen wurdeaufgrund dieser Überlegungen in ausgewählteRandbereiche und Schnittstellen historischerund rezenter Sandbänke und Inseln gelegt. Diezu befahrenden Areale wurden großflächig miteinem Messsystem versehen. Von besonderemInteresse waren dabei die flacheren Bereiche,die aufgrund des relativ geringen Tiefgangs der„NIGE WARK“ eingehend untersucht werdenkonnten.Schließlich stellten Areale mit möglicher prähistorischeroder historischer Besiedlung einendritten Arbeitsschwerpunkt dar. Interessant warenhier Bereiche mit Anhaltspunkten für einestarke laterale <strong>Verlag</strong>erung des Flusslaufs unddamit verbundenen Beeinträchtigungen fürarchäologisch oder historisch bekannte Siedlungsbereiche.Weitere Hinweise lieferten indieser Hinsicht bestimmte geographische Vorraussetzungenund die Häufung prähistorischerFundstellen auf relativ kleinem Raum. Bei denentsprechenden hydroakustischen Befahrungenwurde in den ausgewählten Messgebieten besondersauf die zur Landseite der Fahrrinne liegendenRandbereiche geachtet. Durch ein möglichstufernahes Befahren dieser Areale wurdedie Dokumentation potentiell aufschlussreicherProfile – etwa an der Böschung anerodierteKlei- oder Torfbänke – angestrebt.Besonders bei solchen, auf die Auffindungvon Siedlungsspuren zielenden Sonaruntersuchungenstößt man allerdings an die Grenzeder Methode. Paläolithische Lagerplätze, mesolithischeoder neolithische Besiedlungen,aber auch mittelalterliche Wurten dürften mithydroakustischen Systemen allein kaum nachzuweisensein. Denn selbst hoch auflösende Systemebilden nur größere Objekte hinreichendkonturiert ab. Diese Gegenstände müssen außerdemausreichend hoch aus dem Sedimenthervorschauen, damit sich die entsprechenden,aus Schallreflektionen resultierenden Bildkontrastescharf abzeichnen. Zusätzliche Voraussetzungfür ein aussagefähiges Schallbild ist,dass sich das betreffende Objekt in Bezug aufDichteeigenschaften möglichst stark vom umgebendenSediment unterscheidet. Die Untersuchungvon Fundstellen mit einem hohen Anteilsehr kleinteiliger, zumeist organischer Bauresteund Funde, die in der Regel in natürliche limnischeSedimente eingelagert sind, konnte alsokein Ziel der Sonarfahrten darstellen. Für diesystematische Erfassung und Beurteilung dieserBereiche ist die Bohrkernentnahme dem Einsatzder Sonartechnik vorzuziehen Derartige Unter-67