NAU 14 200888ostspitze der Roseninsel (Schlitzer/Pflederer2007). Das Abtragen latènezeitlicher Grabhügelauf dem Festland zur Gewinnung von Anschüttungsmaterialfür eine Vergrößerung der Inselflächedurch das bayerische Königshaus scheintdoch für die Erklärung von Kleinfunden dieserZeitstellung arg weit hergeholt. Vielmehr istbezeugt, dass das Schüttungsmaterial von einersüdlich an die Insel anschließenden Kiesbank imSee stammt (v. Schab 1877, 24; H. P. Uenze in:Spiegel/Pusch 1988, 10). Auch die von Schabbeschriebene Auffindung des eisernen Hiebmessers(Abb. 4,d) im unteren Teil der Kulturschichtverträgt sich nicht mit einer postuliertennachträglichen Einbringung diesbezüglichenMaterials (v. Schab 1877, 33). Das übrige, bei v.Schab abgebildete frühlatènezeitliche Material(v. Schab 1877, Taf. XI,192.195.258.426.460.464) stammt durchwegs aus Fundgruben mitKulturschicht, womit diese sich zumindest partiellals Schwemmschicht zu erkennen gibt, dasie Material unterschiedlichster Zeitstellung enthieltund latènezeitliche Metallfunde, wie dasoben genannte Messer, auch im unteren Teil derSchicht angetroffen wurden. Im Falle der FundgrubeVIII, um nur ein Beispiel zu nennen, istdie zeitliche Heterogenität des Fundstoffes anhandder Angaben v. Schabs gut nachvollziehbar(v. Schab 1877, 85 ff. Beilage I und II imVergleich mit den Abbildungen im Tafelteil derAbb. 8: Sandsteingussformfür bronzene Flachbeile(Koschik 1981, Taf. 75,1).Schab’schen Arbeit). Die im Schlussteil des Textfragmentesgenannte, frühlatènezeitliche Armbrustfibelmit umgebogenem Fuß (Abb. 4b), dieEnde der 1950er Jahre bekannt gemacht wordenist (Bayer. Vorgeschbl. 23, 1958, 173 Abb.25,1), kann einer Fibel gleichen Typs (ostalpineTierkopffibel) aus den Schab’schen Grabungenan die Seite gestellt werden (Abb. 4a). Eine inder älteren Fachliteratur getroffene Einordnungdieser Fibeln in die Gruppe der späthallstattzeitlichenFußzierfibeln (Ried 1915, 97 Nr. 76 Taf.XXIII,83) wurde von Reinecke wohl in Anlehnungan einen Aufsatz Gero von Merharts(1927, 103 Abb. XIII,16), der die frühlatènezeitlicheEinordnung dieser Fundgruppe herausgearbeitethatte, stillschweigend korrigiert. Wie invielen anderen seiner zahlreichen Fachaufsätzeerachtet Reinecke auch hier die Nennung seinerQuellen als unnötig und stellt daher hoheAnforderungen an den Leser, da er ihm selbstverständlichErscheinendes ohne viel Aufhebensvoraussetzt.Die Vorlage des von Reinecke erwähnten frühlatènezeitlichenkeramischen Fundstoffes vonder Insel, das bisher nur auf archäologischenKartierungen erfasst ist (Kappel 1969, 196 m.Beilage), bleibt weiterhin Forschungsdesideratund wird derzeit in einer Münchner Dissertationvorbereitet. Dasselbe gilt für die kammstrichverziertespätlatènezeitliche Scherbe.Aus der römischen Kaiserzeit stammen nichtnur die beiden verschollenen norisch-pannonischenBügelknopffibeln mit siebförmigdurchlochtem Fuß (Abb. 3), sondern auch einigeTubulifragmente (Abb. 6) und ein Tegulabruchstückaus dem Schab’schen Fundbestand,die einen ziegelbedeckten Hypokaustbau auf derInsel nahe legen. Zumindest einige „Trümmervon Heizröhren“ aus dem umstrittenen Antikenkomplexhat v. Schab entgegen Reineckes Beteuerungals solche erkannt und kurz erwähnt(v. Schab 1877, 5 Nr. 32; 82), so dass zumindester an einem römischen Bau auf der Inselkeinerlei Zweifel hegte. Ausdrücklich erwähnter das Vorkommen römischer Gegenstände inder Kulturschicht und schließt daraus, „dassdeshalb angenommen werden muss, dass die Culturschichtedurch den überlagernden Seeboden zurZeit römischer Niederlassung noch nicht geschlossenwar“ (v. Schab 1877, 79 Anm.). Bereits imLaufe seiner ersten Grabungen im Flachwasserbereichvor dem Inselufer, die in die Jahre 1864und 1865 fallen, hatte er offenbar aus der Kulturschichtstammende „Theile einer römischenHeizröhre“ geborgen (v. Schab 1877, 23), wodurchReineckes Konstruktion von versehent-
Zu den Funden von der Roseninsel im Starnberger Seelichen Materialvermischungen unterschiedlicherHerkunft in Schabs Altertümersammlungder Boden entzogen ist. Aus diesen spärlichenrömischen Resten in Kombination mit zweiStatuetten aus dem Bestand der Antiken vonder Roseninsel, von denen eine Telesphorus alsKaputzenmännchen (genius cucullatus), einenBegleiter des griechisch-römischen HeilgottesÄskulap, darstellt (v. Schab 1877, Taf. III,5), einÄskulapheiligtum auf der Insel zu interpolieren,scheint mehr als gewagt. V. Schab hat, da er denAntikenkomplex von der Roseninsel für authentischbefand, diesen Schluss tatsächlich gezogen(v. Schab 1875, 207), was – hätte Reineckedessen Aufsatz von 1875 verwertet – sicherlichAnlass zu weiterer Kritik gegeben hätte. Zumindestwird aus diesem Sachverhalt deutlich,dass römische Heizröhrenfragmente sowohl imumstrittenen Antikenkomplex enthalten sindals auch im Flachwasserbereich vor der Insel gefundenwurden. Damit wird, wie im Falle deseinleitend genannten, leider nicht mehr verifizierbarenKylixbruchstückes, die Inhomogenitätdes Antikenkomplexes erneut deutlich. Teile darausstammen offenbar von der Insel selbst, andereswurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitvon den bayerischen Königen imKunsthandel erworben und zusammen mit deneinheimischen Stücken auf der Roseninsel verwahrt.Zudem ist es schwer vorstellbar, das bayerischeKönigshaus habe unscheinbare römischeTubulibruchstücke als Altertümer in Italien erworbenund ihren Sammlungen einverleibt. Somitkann aus gutem Grunde davon ausgegangenwerden, dass während der provinzialrömischenZeit tatsächlich ein Hypokaustgebäude unklarerFunktion auf der Insel errichtet worden ist.Auch einige römische Münzen aus dem 1. Jahrhundertv. Chr. und der Spätantike, die in denersten Mitteilungen des Historischen Vereinsvon Oberbayern aus dem Jahre 1852 über diebeim Bau des königlichen Casinos gemachten„Münzen und Anticaglien“ Erwähnung finden(zitiert bei v. Schab 1877, 14) und die offenbardem Antikenkomplex einverleibt worden sind(v. Schab 1877, 6 Nr. 44–47), wird man wederin Zusammenhang mit der mittelalterlichen Sepulturum die Inselkirche bringen noch als ausdem Kunsthandel stammend ansehen dürfen,würde doch letzteres eine bewusste, vom Königshauslancierte Unterschiebung bedeuten. Siewerden daher mit hoher Wahrscheinlichkeit alsvon der Insel stammende antike Bodenfunde zugelten haben.Sigmund von Schab dürfte also mit seiner Annahmeder Authentizität des Antikenkomplexesvon der Roseninsel zumindest teilweise Rechtbehalten. Ganz im Gegensatz zu Reineckes Unterstellungvon Schlampigkeit durch den StarnbergerLandrichter wird man diesem bei sorgfältigerLektüre seiner Arbeit das stete Bemühenum große Exaktheit zugestehen müssen, wenngleichzahlreiche Interpretationen v. Schabs imLichte neuerer Erkenntnisse revisionsbedürftigsind. Doch dies kann man ihm nicht zum Vorwurfmachen, da Forschung als dynamischerProzess zwangsläufig zu ständigen Korrekturenund Verbesserungen führen muss und daherwissenschaftliche Leistungen und Einstellungenausschließlich vor dem Hintergrund ihrer Zeitzu werten sind. Dieser hatte sich in den knappdrei Jahrzehnten, die zwischen dem Wirkenv. Schabs und den bahnbrechenden chronologischenArbeiten Reineckes zu Beginn des 20.Jahrhunderts liegen, beträchtlich geändert.Zumindest hat Sigmund von Schab schon vorweit mehr als einem Jahrhundert zahlreiche archäologischeFragestellungen aufgeworfen, dieauch heute noch nichts von ihrer Aktualitäteingebüßt haben (Schmid 2000). Damit erfülltder Landrichter ein wesentliches Kriterium fürwissenschaftliche Qualität, wonach es vor allemauf die richtige Fragestellung und erst in zweiterLinie auf deren „richtige“ Beantwortungankommt. Zu unterschiedlichen Zeiten mögendarauf unterschiedliche Lösungen angebotenwerden, die bei kritischer Zusammenschau dieWahrheit Zug um Zug ans Licht bringen werden.In Reineckes kurzem Text zu den Roseninselfundenfindet man also beides: VirtuoseFundstoffbeherrschung einerseits, gepaart mitscharfer, bisweilen überzogen anmutender Argumentationbei der Erklärung widersinnigscheinender Aspekte andererseits. Auch Flüchtigkeitsfehlerblieben nicht aus. Die Arbeitenv. Schabs hat er offenbar nicht genau genugstudiert und gelegentlich vorschnell geurteilt.Abb. 9: Etruskischer BronzehelmTypus Negau, angeblichaus dem StarnbergerSee (nach einem Photo von1932, verwahrt in den Ortsaktender ArchäologischenStaatssammlung München;Umzeichnung: WolfgangSchmid, ohne Maßstab).89