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Partizipation in der Steirischen Offenen Kinder- und Jugendarbeit

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Abwägen über sich selber Handlungsperspektiven<br />

<strong>und</strong> Handlungsentscheidungen zu f<strong>in</strong>den ermöglicht,<br />

zur Selbstbestimmung zu gelangen. Die Bildungsgeschichte<br />

zum Subjekt be<strong>in</strong>haltet also aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufbauende<br />

Prozesse <strong>der</strong> Personalisation, gerade auch<br />

durch die Erfahrung sozialer Anerkennung (Selbstachtung),<br />

<strong>der</strong> Selbstreflexivität (Selbstbewusstse<strong>in</strong>)<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Fähigkeit zu „eigenmächtigem“ Handeln<br />

(Selbstbestimmung).<br />

Selbstbestimmung muss aber <strong>in</strong> Rechnung stellen,<br />

welche Grenzen bzw. chancen <strong>der</strong> Eigenmächtigkeit<br />

durch materielle, politische, soziale <strong>und</strong> kulturelle<br />

Bed<strong>in</strong>gungen vorgesetzt s<strong>in</strong>d. „<strong>Jugendarbeit</strong>, die<br />

Jugendliche zu Selbstbestimmung befähigen will, ist<br />

also darauf angewiesen, sich umfassend mit <strong>der</strong>en<br />

Lebenswirklichkeit vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Frage<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen, welche Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Beschränkungen e<strong>in</strong>er selbstbestimmten Lebenspraxis<br />

Jugendliche vorf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> welcher Beitrag pädagogisch<br />

zur Erweiterung <strong>der</strong> Selbstbestimmungsfähigkeit<br />

Jugendlicher erbracht werden kann. Dabei geht<br />

es um die Verbesserung <strong>der</strong> materiellen <strong>und</strong> sozialen<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> konkreten Klientel, um e<strong>in</strong>e<br />

partizipativ-demokratische Gestaltung ihres Alltagslebens,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Institution <strong>der</strong> <strong>Jugendarbeit</strong><br />

selbst, sowie um politisch-kulturelle Lernprozesse,<br />

die Jugendliche zu e<strong>in</strong>em bewusst gestalteten<br />

Leben, aber auch zur politischen Mitwirkung befähigen.“<br />

(Scherr 1997, S. 58)<br />

In Scherrs Konzept wird also die gesetzliche Auffor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Ermöglichung von mitverantwortlicher<br />

Selbstbestimmung theoretisch untermauert <strong>und</strong> differenziert.<br />

Scherr begründet warum e<strong>in</strong>e solche, auf<br />

politische E<strong>in</strong>mischung <strong>und</strong> Beteiligung bauende<br />

<strong>Jugendarbeit</strong> so wichtig ist: Zum e<strong>in</strong>en sei e<strong>in</strong>e offene<br />

demokratische Gesellschaft angewiesen auf Bürger-<br />

Innen, die gelernt haben, eigenverantwortlich <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

sozialer Verantwortung zu entscheiden <strong>und</strong> zu handeln.<br />

Da aber wenige soziale Orte jenseits von Leistungskonkurrenz,<br />

Konsumzwang <strong>und</strong> Erziehung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage seien, Erfahrungen e<strong>in</strong>er selbstbestimmten<br />

Lebenspraxis zu ermöglichen, habe <strong>Jugendarbeit</strong><br />

beson<strong>der</strong>s genau diesen Auftrag. Zum an<strong>der</strong>en habe<br />

das Ziel beson<strong>der</strong>e Bedeutung für die wichtige Zielgruppe<br />

<strong>der</strong> <strong>Offenen</strong> <strong>Jugendarbeit</strong>, den „Mo<strong>der</strong>nisie-<br />

rungsverlierern“. Ihnen fehle es nicht nur an Geld <strong>und</strong><br />

Arbeit, son<strong>der</strong>n auch an sozialer Anerkennung <strong>und</strong><br />

Erfahrungen eigener Stärken, <strong>der</strong> Selbstreflexion <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den ihnen gesellschaftlich<br />

zugemuteten Lebensbed<strong>in</strong>gungen (vgl. Scherr<br />

2000). <strong>Partizipation</strong> als demokratisches Recht, wird<br />

hier also gerade e<strong>in</strong>geklagt für die potentiellen Verlierer<br />

<strong>und</strong> Machtlosen.<br />

V.4. Zur Kritik von<br />

<strong>Partizipation</strong>spraxis aktueller<br />

Offener <strong>Jugendarbeit</strong><br />

Es ist schon erstaunlich: Theorien <strong>der</strong> <strong>Jugendarbeit</strong><br />

konzipieren die <strong>Partizipation</strong>ssaufgabe, sogar das<br />

Gesetz beschreibt <strong>Jugendarbeit</strong> so <strong>und</strong> auch die <strong>in</strong>stitutionellen<br />

charakteristika erlauben (ja erzw<strong>in</strong>gen<br />

fast) e<strong>in</strong>e partizipative Ausrichtung von <strong>Jugendarbeit</strong>.<br />

Dennoch wird <strong>der</strong> <strong>Partizipation</strong>sanspruch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

nur selten aufgenommen <strong>und</strong> nicht nur <strong>in</strong> Konzepten<br />

versteckt, son<strong>der</strong>n gar ignoriert <strong>und</strong> aufgegeben. Das<br />

lässt sich zeigen an aktueller Ausrichtung von pädagogischer<br />

Praxis <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Offenen</strong> <strong>Jugendarbeit</strong>. <strong>Partizipation</strong>s-Ignoranz<br />

kann erkannt werden <strong>in</strong> Praxisformen<br />

von Betreuung, anpasserischer Kooperation, Prävention<br />

<strong>und</strong> konsumistischer Dienstleistungsorientierung<br />

(vgl. Sturzenhecker 1998 a).<br />

<strong>Jugendarbeit</strong> sucht <strong>und</strong> erhält immer mehr<br />

Betreuungs aufgaben im Anschluss an Schule. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Jugendliche sollen auch am Nachmittag verläss-<br />

lich verwahrt werden, so dass den Eltern e<strong>in</strong>e Berufs-<br />

tätigkeit ermöglicht wird. Zentrales Ziel ist dann nicht<br />

mehr Bildung, son<strong>der</strong>n „e<strong>in</strong>e kustodiale, also e<strong>in</strong>e<br />

Verwahrungsverlässlichkeit“ (Brenner 1999, S. 251).<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche sollen sich nicht alle<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

unbeaufsichtigt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit aufhalten <strong>und</strong><br />

dort „gefährdet werden, aber auch selber gefährden“,<br />

son<strong>der</strong>n sie sollen sicher verwahrt werden. Pädagogisches<br />

Ziel ist dann allenfalls noch die Begleitung von<br />

schulischen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en erzieherischen Inhalten, wie<br />

z. B. Hausaufgabenbetreuung, Sprachunterricht o. ä.<br />

Wenn <strong>Jugendarbeit</strong> sich solchen Betreuungsanforde-<br />

DVJ: <strong>Partizipation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Steirischen</strong> <strong>Offenen</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendarbeit</strong>, Jänner 2009 - 57 -

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