2015-01: TOP Magazin Dortmund | FRÜHJAHR
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Weltmeister! Welttrainer! – Interview mit Jogi Löw
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Kultur<br />
VISIONEN EINES STERBENDEN<br />
GOUNODS „FAUST“ IM THEATER HAGEN<br />
Es ist meist eine Gratwanderung wenn sich ein Künstler – sei er aus der bildenden oder darstellenden Zunft – an ein vermeintliches<br />
„Nationalheiligtum“ heranmacht. Und so wetterte nicht nur der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus gegen Gounods<br />
Oper „Faust“, deren Handlung die Librettisten Jules Barbier und Michel Carré im Wesentlichen auf die Liebesgeschichte<br />
zwischen Faust und Margarete beschränkt haben.<br />
In Hagen ist die Oper zur Zeit in einer<br />
sehr einfallsreichen und gemäßigt aktuellen<br />
Inszenierung von Holger Potocki zu<br />
sehen. Man trifft den alten Faust (Klaus<br />
Klinkmann) nicht in seinem Studierzimmer,<br />
sondern im Krankenhaus, mit einem<br />
Schlauch in der Nase, an Tropf und Bett<br />
gefesselt. Kurz vor seinem Ableben<br />
bekommt er die noch Krankensalbung,<br />
doch ist in dieser Inszenierung nicht<br />
der Teufel des Pudels Kern sondern der<br />
des herbeigerufenen Priesters, der sich<br />
eilends daran macht – die Geschichte<br />
ist bekannt – Faust für Jugend und eine<br />
Frist seine Seele abzuschwatzen. Das<br />
nachfolgende Geschehen inklusive der<br />
Liaison mit Margarete gaukelt er Faust<br />
nur vor: Alles findet lediglich in der<br />
Phantasie des alten Faust kurz vor seinem<br />
Tod statt: Der Arzt verwandelt sich<br />
in Valentin, die Krankenschwester in<br />
Margarete, die Nonne in Marthe Schwerdtlein,<br />
das Krankenzimmer in Auerbachs<br />
Keller. Sinnbild der Verwandlung ist das<br />
auf dem Kopf stehende Kruzifix, das den<br />
Umkehr der Werte symbolisiert.<br />
HÖLLE UND DEUTSCHE GEMÜTLICHKEIT<br />
Die schönen Kostüme das teilweise recht<br />
opulente und einfallsreiche Bühnenbild<br />
von Lena Brexendorff machen die rasche<br />
Verwandlung möglich. Gut gelungen ist<br />
der optisch herausgearbeitete Gegensatz<br />
von Auerbachs rot-schwarz wie<br />
die Hölle ausgestattetem Keller, wo<br />
auch Mephisto Stammgast ist und das<br />
Lied vom Goldenen Kalb singt, zu dem<br />
Aktienkurse über die Videoleinwand<br />
flimmern und Dollarnoten vom Schnürboden<br />
regnen, und die spießige Idylle<br />
von Margaretes typisch deutschem<br />
sich wie ein Gemälde in einem riesigen<br />
goldenen Rahmen befindendem Heim<br />
inklusive Baumkulisse und röhrendem<br />
Hirsch. Musikalisch hätte man sich allerdings<br />
etwas mehr versprochen: Häufig<br />
finden vor allem Chor und Philharmonisches<br />
Orchester Hagen unter der Leitung<br />
von Steffen Müller-Gabriel nicht<br />
richtig zusammen, auch der eine oder<br />
andere Solist lässt Wünsche offen, hat<br />
aber teilweise auch Mühe, gegen das oft<br />
übermächtige Orchester anzukommen.<br />
SMARTER MEPHISTO<br />
So kann Paul O‘Neill am Anfang als Faust<br />
mit guter, beinah heldentenoraler Höhe<br />
überzeugen, lässt im letzten Akt aber Ermüdungserscheinungen<br />
erkennen, Veronika<br />
Haller als Margarete punktet mit netten<br />
Phrasen, wirkt in der Höhe aber bisweilen<br />
ein wenig scharf und vor allem in der Juwelenarie<br />
fehlt es an Leichtigkeit. Rainer<br />
Zaun ist ein stimmlich meist präsenter Mephisto,<br />
den man sich durchaus dämonischer<br />
hätte vorstellen können – er ist eher<br />
ein Charmeur, dem auch Marthe Schwerdtlein<br />
erliegt (sehr elegant und auch stimmlich<br />
überzeugend: Marilyn Bennett) und<br />
den sie sich bemüht, sofort in – das ist<br />
der einzig unstimmige Punkt der Inszenierung<br />
– Margaretes Schlafzimmer zu<br />
locken. Kenneth Mattice gestaltet mit gut<br />
geführtem, kultiviertem Bariton den Valentin,<br />
während Linda Sommerhage als<br />
Gast einen verzweifelt liebenden, stimmlich<br />
ebenfalls überzeugenden Siebel gibt.<br />
Text: Martina Lode-Gerke, Fotos: Klaus<br />
Lefebvre, © theaterhagen<br />
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