2015-01: TOP Magazin Dortmund | FRÜHJAHR
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MENSCHEN<br />
In Sissis Krönungskirche<br />
FÜR STEFAN SIMON WURDE EIN MÄRCHEN WAHR<br />
Eine Art modernes Märchen: Unterm Fernseher zuhause in Schwerte-Wandhofen stehen alle Sissi-Folgen<br />
mit Romy Schneider als VHS-Cassette. Denn Stefan Simon ist ein großer Romantiker. Und dann wird er in<br />
der Matthias-Kirche in Budapest, in der einst Kaiserin Sissi von Östereich zur Königin von Ungarn gekrönt<br />
wurde, zum Ritter des ungarischen Vitez-Orden geschlagen! Wie abenteuerlich ist das denn?<br />
Ritter Stefan ist ein waschechter Wandhofener,<br />
tief verwurzelt in Schwerte, gelernter<br />
Großhandelskaufmann und Betriebswirt<br />
mit starkem Faible für alles<br />
rund um das Thema Omnibus, stolzer<br />
Eigenheimbesitzer und engagierter Papa<br />
von zwei zauberhaften Mädels. Aber: Einoder<br />
zweimal im Jahr zieht Stefan Simon<br />
eine paradetaugliche Uniform an, nimmt<br />
den Degen von der Wand im Arbeitszimmer<br />
und repräsentiert als Residenzkapitän<br />
seinen Orden etwa bei Empfängen in<br />
der ungarischen Botschaft in Berlin: „Ich<br />
hab‘ vielen Botschaftern und<br />
hochrangigen Diplomaten die<br />
Hand geschütelt, einmal sogar<br />
dem Wowereit“, erzählt der<br />
38-Jährige. In aller für ihn typischen<br />
Bescheidenheit, aber<br />
nicht ganz ohne Stolz.<br />
Denn stolz ist der Wandhofener<br />
auf seine Ritterschaft: „Das<br />
hat nichts mit Karneval oder<br />
Trachtengruppe zu tun,“ weist<br />
Simon solche und ähnliche<br />
Anwürfe sanft zurück. Er verweist<br />
auf die Historie seines<br />
traditionsreichen Ordens. Simon<br />
darf ein Familienwappen<br />
führen und wäre, gäbe es in<br />
Ungarn noch eine Monarchie,<br />
tatsächlich von Adel. Das alles<br />
weiß der Mann, der sich bis dato<br />
als Westfale fühlte und aufführte,<br />
aber erst seit 2007.<br />
ALS UNGARNDEUTSCHE<br />
DEPORTIERT<br />
Angefangen hat dieses moderne<br />
Märchen mit der endlich fälligen<br />
Aufarbeitung der Familiengeschichte<br />
nach dem Tod<br />
seiner Großmutter. Dass seine<br />
Familie aus Ungarn stammt und durchaus<br />
noch familiäre Beziehung dorthin pflegte,<br />
war Stefan Simon ja klar. Auch dass<br />
sein Urgroßvater ein Ritter war, war bekannt.<br />
Als Ungarndeutsche wurde die<br />
Familie nach dem zweiten Weltkrieg 1947<br />
von der Sowjetbesatzung deportiert. Es<br />
stellte sich nach dem Studium alter Dokumente<br />
heraus, dass der Uropa 1924 in<br />
Budapest für seine Verdienste im Ersten<br />
Weltkrieg in den Vitez-Orden aufgenommen<br />
und zum Ritter dieses Ordens geschlagen<br />
wurde. Simons Opa bekam diese<br />
Auszeichnung 1942 mitten im Zweiten<br />
Weltkrieg, er wurde durch eine russische<br />
Kugel getötet. Der Uropa starb 1971, fünf<br />
Jahre später wurde Stefan Simon geboren.<br />
„Ein Vitez kann man nur aufgrund militärischer<br />
Verdienste werden,“ erfuhr<br />
der Wandhofener, dem eher Sanftmut<br />
und Harmoniebedürfnis als kriegerische<br />
Ambitionen in die Wiege gelegt wurden,<br />
bei seinen Recherchen vor sieben Jahren.<br />
„Oder eben durch Erbfolge!“ Ein Automatismus<br />
– das ungarische Volk dankte und<br />
dankt heute noch verdienten<br />
Männern durch die vererbbare<br />
Ritterwürde. Stefan Simon hatte<br />
durch bloße Abstammung<br />
das Recht, ein Vitez zu sein.<br />
„Und das wollte ich, nachdem<br />
ich mich gründlich mit der Ordensgeschichte<br />
und den Modalitäten<br />
beschäftigt hatte, auch<br />
unbedingt.“<br />
TRADITIONSPFLEGE<br />
Ihn reizte das neue Band, das<br />
seine Familie mit dem bisher<br />
als Urlaubsziel bekannten<br />
Ungarn verband. Mehr noch<br />
aber lockte Stefan Simon die<br />
Aussicht als Vitez verantwortungsvolle<br />
Traditionspflege<br />
betreiben zu dürfen. „Es gibt<br />
nur noch etwa 4000 Ordensritter<br />
in aller Welt, etwa 70 leben<br />
in Deutschland,“ lernte Simon<br />
und merkte schnell, dass um<br />
ihn herum die meisten Ritter<br />
im Schnitt um die 70 Jahre alt<br />
sind. „Wenn nicht Leute wie ich<br />
uns der Herausforderung stellen,<br />
dann stirbt der Orden mal<br />
aus“, und das würde Stefan Simon<br />
sehr schade finden.<br />
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