Deutscher Bundestag 18/7250 Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>18</strong>. Wahlperiode – 5 – Drucksache <strong>18</strong>/<strong>7250</strong><br />
Vorwort …………………….<br />
Wir leben in unruhigen Zeiten. Sicherheitspolitisch bewegt sich gerade sehr viel<br />
in Europa und weltweit. Zunehmend sind unsere deutschen Soldatinnen und Soldaten<br />
in ihrem Kernauftrag gefordert: äußere Sicherheit. Das heißt Sicherheit<br />
durch Teilnahme an multinationalen Missionen „out of area“, außerhalb des<br />
Bündnisgebietes, und Sicherheit durch starke Präsenz im Rahmen der kollektiven<br />
Verteidigung. Hinzu kam im Berichtsjahr die zivile Amtshilfe bei der Bewältigung<br />
der Flüchtlingskrise in Deutschland. Das waren und sind viele Aufträge,<br />
weit mehr als zu Beginn des Jahres 2015 absehbar. Die Bundeswehr konnte und<br />
kann all das leisten. Aber deutlich geworden ist auch, dass sie in einigen Bereichen<br />
inzwischen ihr Limit erreicht, personell und materiell. Hier ist politisches<br />
Nachsteuern dringend erforderlich.<br />
Mein erster Besuch im neuen Amt ging sehr bewusst auf den Truppenübungsplatz<br />
Munster-Süd zum verstärkten Panzergrenadierbataillon 371, das dort für seine<br />
Aufgabe als deutscher Gefechtsverband für die sogenannte „Speerspitze“ der<br />
NATO Response Force ausgebildet wurde. Das Jahr 2015 galt noch als Testphase,<br />
Fehleranalyse gehörte zu den Aufgaben. Was mir da nüchtern und präzise vorgetragen<br />
wurde, markiert sehr eindrucksvoll ein Hauptproblem unserer Streitkräfte<br />
heute: Es fehlt zu viel. Das Bataillon musste 15.000 Ausrüstungsgegenstände<br />
– kleine und große – von anderen Verbänden aus der Brigade, aus der Division,<br />
aus dem Heer und aus der übrigen Bundeswehr „leihen“, um für seine NATO-<br />
Aufgabe voll ausgestattet zu sein. Das Material fehlt nun dort. Zu den gestiegenen<br />
Anforderungen an die Bundeswehr passt dieses System der Mangelverwaltung<br />
absolut nicht mehr. Es gefährdet Einsatzbereitschaft, Übung und Ausbildung<br />
– und im schlimmsten Fall Leib und Leben im Einsatz. Und es beeinträchtigt die<br />
Motivation der Soldatinnen und Soldaten und die Attraktivität der Bundeswehr.<br />
Bei vielen Truppenbesuchen und Gesprächen berichteten mir Vertrauensleute,<br />
Spieße und Kompaniechefs ebenso wie die verantwortlichen Stabsoffiziere von<br />
zum Teil existenziellen Ausrüstungslücken, seien es fehlende Panzerhaubitzen in<br />
einem Artilleriebataillon oder Nachtsichtbrillen und Schutzwesten oder<br />
Transportflugzeuge oder Hubschrauber oder Fregatten oder Bewaffnung und<br />
Munition für hochmoderne neue Waffensysteme wie EUROFIGHTER oder<br />
TIGER. Es fehlt zu viel, weil altes Gerät sehenden Auges schneller ausgemustert<br />
wurde als das neue zuläuft, weil Ersatzteile nicht beschafft wurden, weil 70-Prozent-Sollstrukturen<br />
den 100-Prozent-Bedarf nicht abdecken oder weil die Instandsetzung<br />
in der Industrie zu lange dauert und eigene Wartungskapazitäten längst<br />
zerschlagen sind.<br />
Immerhin sieht sich in der Truppe heute niemand mehr gezwungen, die objektiv<br />
bestehenden Defizite zu verheimlichen oder zu verniedlichen. Das Thema Vollausstattung<br />
steht auf der Agenda von Parlament und Regierung. Fehlanzeigen<br />
werden nicht mehr achselzuckend toleriert. Eine neue Weisungslage im Heer soll<br />
jetzt vorhandene Bestände sichern, bis neue Systeme tatsächlich zulaufen und voll<br />
funktionsfähig sind. Mit Spannung darf das vom Verteidigungsausschuss angeforderte<br />
Konzept des Verteidigungsministeriums zur strukturgerechten Ausstattung<br />
der Bundeswehr erwartet werden. Es sollte auch den zusätzlichen Finanzbedarf<br />
klar aufzeigen.<br />
Neben dem Thema der materiellen Mangelverwaltung, das mich im ersten halben<br />
Jahr als Wehrbeauftragter besonders beschäftigt hat, gewinnt das Thema Personalfehl<br />
nun zunehmend an Brisanz – nicht zuletzt aufgrund der Amtshilfebelastung<br />
der letzten Monate. Der Jahresbericht enthält hierzu – aufgrund einer Fülle<br />
von Eingaben – viele systematische Betrachtungen sowie Zahlen und Beispiele.<br />
So klein wie heute war die Bundeswehr niemals in ihrer Geschichte. Die Debatte<br />
über Personalstruktur, Aufgaben und Umfang der Bundeswehr (militärisch und<br />
zivil) muss geführt werden. Ohne gezielte Nachsteuerung droht Überlastung in<br />
wichtigen Bereichen. Das heißt, dass einzelne Soldatinnen oder Soldaten zu