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MANAGEMENT SPECIAL DerWeg zum Miteinander Vor sechs Jahren hat Bodo Janssen in seinen Hotels einen neuen Kurs eingeschlagen. Weg vom reinen Gewinnstreben, hin zu mehr Menschlichkeit. Dadurch hat er für die Upstalsboom--Häuser viel erreicht: zufriedene Mitarbeiter und Gäste, mehr Umsatz. Der erste Schritt tat weh. „Wer möchte schon hören oder lesen, dass er von vielen Mitarbeitern äußerst kritisch betrachtet wird?“, sagt Bodo Janssen. „Ein neuer Chef soll 36 gv-praxis |food-service |<strong>Transgourmet</strong> | 2016 her“, hatte einer seiner Angestellten sich sogar gewünscht. Festgehalten auf einem Fragebogen, der dem Eigentümer der Hotelgruppe Upstalsboom schwarz auf weiß vor Augen führen Das 4-Sterne-Hotel Deichgraf in Wremen nördlich von Bremerhaven. sollte, was seine Belegschaft wirklich denkt und fühlt. Ein Schlag ins Kontor sei das gewesen, bekennt der Hotelier aus dem ostfriesischen Emden. Selbst- und Fremdbild hätten kaum weiter auseinanderliegen können. Nicht den sympathischen und erfolgreichen Steuermann sahen die 450 Mitarbeiter in ihm, sondern einen verwöhnten Jungunternehmer. Dass überhaupt gefragt und hinterfragt wurde, hatte damals ein neuer Personalleiter angestoßen. Obwohl das Geschäft gut lief, war die Stimmung im Keller, stellte der Personaler schnell fest. Was Einzelgespräche zutage förderten, untermauerten die Zahlen. Während Krankenstand und Fluktuation sukzessive stiegen, sank die Zahl der Bewerber. Statt sich unter der schwelenden Kritik wegzudu- Fotos: Upstalsboom
MANAGEMENT cken, sie an sich abprallen zu lassen oder seinen Managern in die Schuhe zu schieben, nahm Janssen sie an. Und machte sie zur Chefsache. Anderthalb Jahre besuchte er regelmäßig Seminare in einem Benediktinerkloster, um mithilfe von Pater Anselm Grün an sich zu arbeiten, Fragen aufzuwerfen und Antworten zu finden, Prioritäten und Werte neu zu definieren. „Wer in seiner Abteilung oder in seinem Unternehmen etwas verändern will, der ist gut damit beraten, zunächst und ausschließlich bei sich selbst anzufangen“, sagt Janssen in der ersten Szene eines Unternehmensfilms, der drei Jahre später den Ups- Corporate Happiness und Heiliger Benedikt. talsboom-Weg nachzeichnet. Mitgeprägt hat ihn neben den Regeln des heiligen Benedikt auch der sogenannte Corporate-Happiness-Ansatz. Er basiert auf der Positiven Psychologie und soll Menschen dabei helfen, glücklicher zu werden. Indem sie entdecken und leben können, was ihnen wirklich wichtig ist, wo ihre Talente und Stärken liegen, was ihnen Freude bereitet. Das Ziel: Wertschöpfung durch Wertschätzung – statt Ausnutzung. Eine neue Unternehmenskultur, die Kopf und Herz erreicht, im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Spiritualität. Dreh- und Angelpunkt ist das Verständnis von Führung. Nämlich als Dienstleistung und nicht als Privileg, so Janssen. Der zentrale Glaubenssatz: Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen. Also bot der Hotelier auch seinen Führungskräften an, die Klosterseminare zu besuchen. Nicht jeder konnte etwas damit anfangen. Genauso wenig war jeder bereit, sich mit den desaströsen, in allen zehn Häusern vor versammelter Mannschaft präsentierten Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung auseinanderzusetzen. Mehr als ein Dutzend Mitarbeiter in Führungspositionen kündigten daraufhin. Die anderen lernten umzudenken und anders zu lenken. Das entscheidende Rädchen in diesem Prozess? „Die Schocktherapie“, bekennt Janssen. „Seine Schwächen durch die Befragung ungefiltert gespiegelt zu bekommen und sein Scheitern zu akzeptieren.“ Einmal in Gang gesetzt, entwickelte der Prozess schnell eine Eigendynamik. Seminarbausteine wurden konzipiert, Leitbild und Wertekanon verfeinert. Parallel holte Janssen 2013 den Berater und Psychologen Oliver Haas ins Team. Unter seiner Ägide wurden die ersten Corporate-Happiness-Botschafter ausgebildet, um den Mentalitätswechsel vor Ort und im Alltag zu verankern. Bis zu 2 Prozent des Umsatzes, mehr als eine halbe Million Euro, hat der Der Einsatz hat sich mehrfach ausgezahlt. Familienunternehmer seitdem jedes Jahr in das Maßnahmenbündel investiert. Dass sich dieser Einsatz bereits nach kurzer Zeit doppelt und dreifach auszahlen würde, war weder beabsichtigt noch kalkuliert. „Es ist einfach passiert“, sagt Janssen. Getreu dem Motto „Kümmere dich um die Menschen, dann kümmern sich die Ergebnisse um sich selbst“. Die neu gewonnene Zufriedenheit der Mitarbeiter ließ nicht nur Fluktuation und Krankenstand sinken – in manchen Häusern fast gen null. Sie strahlte auch unmittelbar auf die Gäste ab. Lag die Auslastung 2009 noch bei 57 Prozent, sind es inzwischen gut 70 Prozent. Die Weiterempfehlungsquote kletterte auf sensationelle 98 Prozent. Effekte, die sich ebenfalls in der Bilanz niederschlagen: So hat sich der Umsatz zwischen 2009 und 2014 nahezu verdoppelt. Obwohl die Bettenzahl nicht gestiegen ist, konnte die Umsatzrendite gesteigert werden. Unter anderem, weil Janssen sich traute, die Preise anzuheben. Mit seinem Mut zur konsequenten Kehrtwende und ihrer nachhaltigen Wirkung rüttelte der Hotelier nicht nur seine Mitbewerber wach. „Wir bekommen fast täglich Anfragen aus den unterschiedlichsten Branchen, von Familienunternehmen wie von international aufgestellten Konzernen.“ Inzwischen können 25 Prozent der Seminarplätze von externen Interessenten belegt werden. Außerdem wurde die Corporate-Happiness-Ausbildung spezifiziert, neben Beratern gibt es nun Trainer und Coaches. „Theoretisch könnten wir mit diesem Know-how ein eigenes Profit-Center bestreiten“, sagt Janssen. „Aber das wollen wir gar nicht. Statt in andere Unternehmen hineinzugehen, bieten wir ihnen an, unserem Weg zu folgen und von unseren Erfahrungen zu profitieren.“ Kein Spaziergang, aber er lohnt sich. Kerstin Schulte Ein Viertel der Seminarplätze für die Ausbildung von Beratern, Trainern und Coaches wird inzwischen von externen Teilnehmern belegt. 2016 | gv-praxis |food-service |<strong>Transgourmet</strong> 37
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