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Transgourmet Spezial Mehrwert - spezial_mehrwerte_2016.pdf

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FOOD-RETTER<br />

konventionelles unverdorbenes Gemüse<br />

vor der Tonne bewahrt. Manchmal<br />

ist es eine falsche Etikettierung<br />

oder die beschädigte Umverpackung,<br />

die einem Lebensmittel den Weg<br />

weist in Deutschlands erstes Reste-<br />

Restaurant. Dann steht zum Beispiel<br />

„Linsenbällchen in Sesam auf Karottencreme“<br />

auf der Tafel. „Das Kochen<br />

macht hier mehr Spaß als in der konventionellen<br />

Gastronomie“, sagt der<br />

27-jährige Koch. Außer ihm war anfangs<br />

nur noch der Restaurant-Manager<br />

fest angestellter Mitarbeiter im<br />

„Restlos Glücklich“, das viel mehr ist<br />

als ein Restaurant: Es ist Bildungsprojekt<br />

und gemeinschaftliches Engagement<br />

von mittlerweile etwa 60 Ehrenamtlichen,<br />

die sich zum Ziel gesetzt<br />

haben, dass Lebensmittel wieder mehr<br />

wertgeschätzt werden und nicht so<br />

leicht auf dem Müll landen.<br />

Den 18 Millionen Tonnen Lebensmitteln,<br />

die laut der Umweltorganisation<br />

WWF jedes Jahr im Müll landen,<br />

Kulinarischer Anspruch<br />

wird gepflegt.<br />

Ein komplettes<br />

Menü besteht aus<br />

Suppe, Hauptspeise<br />

und Dessert.<br />

wollten Anette Keuchel, 38, und Leoni<br />

Beckmann, 28, etwas entgegensetzen.<br />

Beide gründeten vor gut zwei Jahren<br />

mit einer Handvoll Gleichgesinnter<br />

den Verein, der den gleichen Namen<br />

trägt wie das Lokal. Vorbild ist<br />

das „Rub & Stub“ in Kopenhagen, das<br />

Anette Keuchel in ihrem Dänemark-<br />

Urlaub kennenlernte. Bevor es in Berlin<br />

losgehen konnte, wurden über<br />

Crowdfunding 25.000 Euro als Startkapital<br />

eingesammelt. Nach ersten<br />

gastronomischen Testabenden im<br />

April hat man seit diesem Sommer regelmäßig<br />

geöffnet. Bis 22 Uhr kann<br />

bestellt werden. Entweder das ganze<br />

Menü zum Preis von 19 bis 22 Euro<br />

oder Vorspeise, Hauptgang und Dessert<br />

einzeln. Alles angerichtet wie in<br />

der Spitzengastronomie. Man pflegt<br />

einen kulinarischen Anspruch. Dazu<br />

passt das Angebot an hochwertigen<br />

Weinen – eingeschenkt aus Flaschen,<br />

die wegen verrutschter Etiketten ausgemustert<br />

wurden. „Wir retten Lebensmittel<br />

vor der Tonne und nicht<br />

aus der Tonne“, stellen die Food-Aktivisten<br />

klar, dass die Lebensmittel bedenkenlos<br />

verzehrt werden können<br />

und ihr Geld wert sind. Auch wenn die<br />

Portionen im „Restlos Glücklich“<br />

eher klein sind. Es soll ja möglichst<br />

nichts vom guten Essen am Ende doch<br />

im Müll landen.<br />

Für den Nachschub an Lebensmitteln<br />

ist gesorgt. „Wir bekommen alles und<br />

nehmen alles“, zählt Leoni Beckmann<br />

auf: „Gemüse, Obst, Schokolade, Reis<br />

und viel Brot“. Das wird beispielsweise<br />

zu Knödel in allen Varianten<br />

verarbeitet, kommt als „Toskanischer<br />

Brotsalat“ auf den<br />

Tisch oder – verfeinert mit<br />

Creme und Fruchtsirup – als<br />

verführerisches Dessert. „Lieferanten“<br />

sind ein Pool fester<br />

Partner, bei denen regelmäßige<br />

„Rettungsaktionen“<br />

erfolgen. Dazu finden sich<br />

immer wieder neue, spontane<br />

Spender ein. Unterm<br />

Strich bleibt ein Rest von<br />

10 Prozent an Kochzutaten,<br />

die zugekauft werden<br />

– vor allem Fette,<br />

Öle und Gewürze.<br />

Wenige Monate nach<br />

der Eröffnung ist das<br />

„Restlos Glücklich“<br />

auch außerhalb des Neuköllner<br />

Kiezes eine gastronomische Adresse<br />

geworden. Die 40 bis 60 abendlichen<br />

Gäste bilden einen Querschnitt der<br />

Berliner Bevölkerung: Junge, Ältere,<br />

Ökos, in Paaren oder als Gruppe, und<br />

Leute, für die es zum Lifestyle gehört,<br />

bei der Rettung der Welt dabei zu sein.<br />

Dass ihr Lokal auf so große Zustimmung<br />

stößt, hilft den Aktivisten hinter<br />

dem „Restlos Glücklich“ für ihr<br />

übergreifendes Ziel: Menschen bewegen,<br />

bewusster zu konsumieren. Dafür<br />

werden Kochkurse und Bildungsprojekte<br />

für Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />

finanziert. Hier ist wieder<br />

Daniel Roick als Profi im Einsatz. Unterstützung<br />

erhält er inzwischen von<br />

Dennis Pattloch, 30, dem zweiten fest<br />

angestellten Koch beim „Restlos<br />

Glücklich“. Ingeborg Sichau<br />

2016 | gv-praxis |food-service |<strong>Transgourmet</strong><br />

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