Transgourmet Spezial Mehrwert - spezial_mehrwerte_2016.pdf
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MANAGEMENT<br />
cken, sie an sich abprallen zu lassen<br />
oder seinen Managern in die Schuhe<br />
zu schieben, nahm Janssen sie an. Und<br />
machte sie zur Chefsache. Anderthalb<br />
Jahre besuchte er regelmäßig Seminare<br />
in einem Benediktinerkloster, um<br />
mithilfe von Pater Anselm Grün an<br />
sich zu arbeiten, Fragen aufzuwerfen<br />
und Antworten zu finden, Prioritäten<br />
und Werte neu zu definieren.<br />
„Wer in seiner Abteilung oder in seinem<br />
Unternehmen etwas verändern<br />
will, der ist gut damit beraten, zunächst<br />
und ausschließlich bei sich<br />
selbst anzufangen“, sagt Janssen in der<br />
ersten Szene eines Unternehmensfilms,<br />
der drei Jahre später den Ups-<br />
Corporate Happiness<br />
und Heiliger Benedikt.<br />
talsboom-Weg nachzeichnet. Mitgeprägt<br />
hat ihn neben den Regeln des<br />
heiligen Benedikt auch der sogenannte<br />
Corporate-Happiness-Ansatz. Er<br />
basiert auf der Positiven Psychologie<br />
und soll Menschen dabei helfen,<br />
glücklicher zu werden. Indem sie entdecken<br />
und leben können, was ihnen<br />
wirklich wichtig ist, wo ihre Talente<br />
und Stärken liegen, was ihnen Freude<br />
bereitet. Das Ziel: Wertschöpfung<br />
durch Wertschätzung – statt Ausnutzung.<br />
Eine neue Unternehmenskultur,<br />
die Kopf und Herz erreicht, im<br />
Spannungsfeld zwischen Wissenschaft<br />
und Spiritualität.<br />
Dreh- und Angelpunkt ist das Verständnis<br />
von Führung. Nämlich als<br />
Dienstleistung und nicht als Privileg,<br />
so Janssen. Der zentrale Glaubenssatz:<br />
Nur wer sich selbst führen kann, kann<br />
andere führen. Also bot der Hotelier<br />
auch seinen Führungskräften an, die<br />
Klosterseminare zu besuchen. Nicht<br />
jeder konnte etwas damit anfangen.<br />
Genauso wenig war jeder bereit, sich<br />
mit den desaströsen, in allen zehn<br />
Häusern vor versammelter Mannschaft<br />
präsentierten Ergebnissen der<br />
Mitarbeiterbefragung auseinanderzusetzen.<br />
Mehr als ein Dutzend Mitarbeiter<br />
in Führungspositionen kündigten<br />
daraufhin. Die anderen lernten<br />
umzudenken und anders zu lenken.<br />
Das entscheidende Rädchen in diesem<br />
Prozess? „Die Schocktherapie“,<br />
bekennt Janssen. „Seine Schwächen<br />
durch die Befragung ungefiltert gespiegelt<br />
zu bekommen und sein Scheitern<br />
zu akzeptieren.“ Einmal in Gang<br />
gesetzt, entwickelte der Prozess<br />
schnell eine Eigendynamik. Seminarbausteine<br />
wurden konzipiert, Leitbild<br />
und Wertekanon verfeinert. Parallel<br />
holte Janssen 2013 den Berater und<br />
Psychologen Oliver Haas ins Team.<br />
Unter seiner Ägide wurden die ersten<br />
Corporate-Happiness-Botschafter<br />
ausgebildet, um den Mentalitätswechsel<br />
vor Ort und im Alltag zu verankern.<br />
Bis zu 2 Prozent des Umsatzes, mehr<br />
als eine halbe Million Euro, hat der<br />
Der Einsatz hat sich<br />
mehrfach ausgezahlt.<br />
Familienunternehmer seitdem jedes<br />
Jahr in das Maßnahmenbündel investiert.<br />
Dass sich dieser Einsatz bereits<br />
nach kurzer Zeit doppelt und dreifach<br />
auszahlen würde, war weder beabsichtigt<br />
noch kalkuliert. „Es ist einfach<br />
passiert“, sagt Janssen. Getreu dem<br />
Motto „Kümmere dich um die Menschen,<br />
dann kümmern sich die Ergebnisse<br />
um sich selbst“.<br />
Die neu gewonnene Zufriedenheit<br />
der Mitarbeiter ließ nicht nur Fluktuation<br />
und Krankenstand sinken –<br />
in manchen Häusern fast gen null. Sie<br />
strahlte auch unmittelbar auf die Gäste<br />
ab. Lag die Auslastung 2009 noch<br />
bei 57 Prozent, sind es inzwischen gut<br />
70 Prozent. Die Weiterempfehlungsquote<br />
kletterte auf sensationelle 98<br />
Prozent. Effekte, die sich ebenfalls in<br />
der Bilanz niederschlagen: So hat sich<br />
der Umsatz zwischen 2009 und 2014<br />
nahezu verdoppelt. Obwohl die Bettenzahl<br />
nicht gestiegen ist, konnte die<br />
Umsatzrendite gesteigert werden.<br />
Unter anderem, weil Janssen sich<br />
traute, die Preise anzuheben.<br />
Mit seinem Mut zur konsequenten<br />
Kehrtwende und ihrer nachhaltigen<br />
Wirkung rüttelte der Hotelier nicht<br />
nur seine Mitbewerber wach. „Wir bekommen<br />
fast täglich Anfragen aus den<br />
unterschiedlichsten Branchen, von<br />
Familienunternehmen wie von international<br />
aufgestellten Konzernen.“<br />
Inzwischen können 25 Prozent der<br />
Seminarplätze von externen Interessenten<br />
belegt werden. Außerdem wurde<br />
die Corporate-Happiness-Ausbildung<br />
spezifiziert, neben Beratern gibt<br />
es nun Trainer und Coaches. „Theoretisch<br />
könnten wir mit diesem<br />
Know-how ein eigenes Profit-Center<br />
bestreiten“, sagt Janssen. „Aber das<br />
wollen wir gar nicht. Statt in andere<br />
Unternehmen hineinzugehen, bieten<br />
wir ihnen an, unserem Weg zu folgen<br />
und von unseren Erfahrungen zu profitieren.“<br />
Kein Spaziergang, aber er<br />
lohnt sich.<br />
Kerstin Schulte<br />
Ein Viertel der<br />
Seminarplätze für<br />
die Ausbildung von<br />
Beratern, Trainern<br />
und Coaches wird<br />
inzwischen von<br />
externen Teilnehmern<br />
belegt.<br />
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