IOEW SR 025 Oekologischer Konsum.pdf, pages 1 - Institut für ...
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Gerhard Scherhorn<br />
ÜBER DEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN UMWELTBEWUßTSEIN UND<br />
LEBENSSTANDARD<br />
Den Begriff Lebensstandard verwenden wir im Sinne eines Leitbildes. Lebensstandard bedeutet<br />
zum einen das, was man an Lebensniveau erreichen möchte - was man noch nicht hat, sich aber doch<br />
verbindlich als Ziel vorstellt; zum anderen zugleich auch das, was man bereits erreicht hat, was man<br />
bewahren und verteidigen will. Der Lebensstandard kann sich also durchaus auf das erreichte Lebensniveau<br />
allein beziehen, wenn es darum geht, dieses zu verteidigen.<br />
Was wissen wir über den Lebensstandard? Ich möchte drei Punkte hervorheben.<br />
Wir wissen erstens, daß man sich an den Teil des Lebensstandards, der bereits erreicht worden<br />
ist, gewöhnt. Die Gewöhnung aber kann suchtartigen Charakter annehmen (Sdtovsky, 1977, S. 108<br />
ff). An die tägliche Dusche oder andere Bestandteile der eigenen Bequemlichkeit kann man sich so<br />
stark gewöhnen, daß es ohne krisenhafte Ereignisse nahezu unmöglich wird, davon zu lassen. Denn<br />
bei der Festigung einer Gewohnheit verlagert sich die Motivation: Statt dem Lustempfinden bestimmt<br />
die Furcht vor dem Entzug das Verhalten.<br />
Ein zweites Merkmal des Lebensstandards ist das Streben nach positionalen, d.h. auf Vorrang beruhenden<br />
und Vorrang symbolisierende Güter (Hirsch, 1980). In der Wirtschaftswissenschaft geht<br />
man seit Adam Smith von der Vorstellung aus, daß die <strong>Konsum</strong>enten prinzipiell und unwandelbar<br />
nach einer Verbesserung ihrer relativen Position streben - ihrer Position gegenüber dem bisher Erreichten,<br />
vor allen Dingen aber ihrer Position gegenüber anderen (Hirschmann, 1980, S. 116 ff).<br />
Smith hat aus diesem Grundgedanken die stillschweigende Annahme gewonnen, daß eine kapitalistische<br />
Gesellschaft auf dauerndes Wachstum gegründet sein wird, weil die Menschen von dem unersättlichen<br />
Drang nach Aufstieg, nach Verbesserung ihrer Position beseelt sind (Falkinger, 1986, S. 51<br />
ff). Dabei ist es aus logischen und tatsächlichen Gründen unmöglich, daß jeder Vorrang haben kann.<br />
Da das nicht erkannt wird, bewirkt das Streben nach Vorrang, daß die einen versuchen, den Rückstand,<br />
den sie gegenüber anderen empfinden, aufzuholen, während die anderen sich dagegen verteidigen,<br />
indem sie ihrerseits ihren Vorsprung erhöhen. Das läßt die Defensivausgaben ansteigen, nicht<br />
etwa nur in der Umweltpolitik, wo dieser Begriff schon sehr geläufig ist, sondern auch im <strong>Konsum</strong>entenverhalten,<br />
weil jeder, um seine eigene relative Position zu verteidigen, bei zunehmendem Sozialprodukt<br />
einen immer größeren Anteil an Defensivausgaben aufwenden muß. So ist bei wirtschaftlichem<br />
Wachstum auf hohem Niveau die Zunahme der Nettowohlfahrt - der Lebensqualität - viel geringer<br />
als die Zunahme des Bruttosozialprodukts.<br />
Für den Zusammenhang zwischen Lebensstandard und Umweltbewußtsein relevant ist drittens<br />
die Erkenntnis, daß unser Lebensstandard in den entwickelten Gesellschaften um den Gegenwert des<br />
Raubbaus an der Natur überhöht ist (Scherhorn, 1981), weil wir auf alle mögliche Weise Kosten externalisieren,<br />
das heißt von uns abwälzen. Man stelle sich vor, die Industrienationen wären seit der<br />
industriellen Revolution mit der Natur schonend umgegangen - unser <strong>Konsum</strong>niveau und unser Lebensstandard<br />
heute wären beträchtlich niedriger. Ob wir es schlechter hätten, ist eine andere Frage.<br />
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