UNDERDOG 62
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
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war das erste alternative
Jugendzentrum. 1983 wurde die Gaga
nach zwei Jahren Entwicklungshilfe
geräumt. Die nächste bedeutende
Werkstätte war das besetzte Haus in
der Aegidigasse beim Westbahnhof.
Die Kulturfraktion der Aegidi gründete
das erste Flex und engagierten sich
auch im WUK. Das WUK (Werkstättenund
Kulturhaus) ist eines der größten
Kulturzentren Europas. 1988 wurde die
Aegidi unter massiven Polizeieinsatz
geräumt. Mitte der 1980er Jahre
begann in Österreich eine Welle des
Sozialabbaus. Breite Teile der
Bevölkerung waren unzufrieden und
gegen die elitäre Opernball-
Veranstaltung manifestierte sich diese
Wut. Dass es 1989 bei der
Opernballdemo zu heftigen
Konfrontationen mit der Polizei kam,
kann unter anderem als Revanche der
wütenden Aegidi-Besetzer*innen
gedeutet werden. Bei der Räumung soll
die Polizei eine regelrechte
Prügelstraße initiiert haben, durch den
die Besetzer*innen das Haus verlassen
mussten 4 . Die Aegidi war für viele
sowohl Wohnraum wie politisches und
soziales Zentrum gewesen – die Wut in
der Szene war entsprechend groß. Am
2. Februar 1989 versammelten sich
tausende Menschen, um mit dem Motto
«Eat the rich» gegen den Opernball auf
die Straße zu gehen. Es folgte einer der
gewalttätigsten Proteste in Wien
überhaupt. Zwar war ein Protestzug
genehmigt worden, zwei weitere
wurden jedoch untersagt. Es kam zu
stundenlangen Straßenschlachten mit
der Polizei, die immer wieder in Wellen
vorrückte. Es flogen Molotow-Cocktails,
Steine, Farbbeutel und Knallkörper
gegen die Polizei, diese setzte ihrerseits
Tränengas, Wasserwerfer und
Schlagstöcke ein. Die
Demonstrant*innen stoppten einen
Ballbesucher in einem Mercedes. Der
4 https://youtu.be/QH2DAZwA4k8
Fahrer brachte sich in Sicherheit, die
Limousine wurde daraufhin als
Prellbock gegen die Polizeisperren
benutzt. Am Ende standen mehrere
Dutzend Verletzte auf beiden Seiten und
zwölf Festnahmen. Die Opernballdemos
galten jahrelang als ‚Jour Fixe‘ 5 der
Autonomen.
Punk im urbanen Raum
Es gibt kein passenderes Beispiel
als die sogenannten ‚Chaostage‘ (s.
Artikel in dieser Ausgabe) 6 , das
aufzeigt, inwieweit der öffentliche
Raum und die Straße als konfrontativer
Ort entgegen des bürgerlichen und
5 Der Jour fixe ist ein regelmäßig
stattfindendes Treffen eines definierten
Personenkreises an einem festgelegten
Zeitraum
6 Als Chaostage werden bestimmte
Treffen von Punks in verschiedenen
Städten bezeichnet. Die ersten Chaostage
fanden 1983 in der niedersächsischen
Landeshauptstadt Hannover statt, die
sich ursprünglich gegen eine geplante
Punker-Datei der Polizei richteten. Bei
den mehr oder weniger regelmäßig
stattfinden Chaostagen kam es dabei –
besonders bei den Chaostagen 1995 –
immer wieder zu heftigen
Ausschreitungen und Straßenschlachten
mit der Polizei.
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