UNDERDOG 62
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
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werfen“ oder für ihre eigenen Rechte zu
kämpfen.
The Specials, eine von vielen
multiethnischen Bands, die sich in
dieser Zeit gründeten, beschäftigten
sich weitgehend mit Antirassismus und
machten dieses Anliegen zum zentralen
Thema in ihrer Bandgeschichte. Als
Johnny Rotten 1977 von Tommy Vance
für Capital Radio interviewt wurde,
sagte er auf die Frage nach dem
zweideutigen Gebrauch von Symbolen
im Punk: „Niemand sollte ein Faschist
sein“. 7
In ihren Interviews mit der Musikpresse
drückten The Clash wiederholt ihren
Wunsch aus, mit ihrer Musik junge
Menschen gegen Rassismus und den
Appell der NF zu beeinflussen.
Dies ist vielleicht der wichtigste Aspekt,
der offenbart, dass Punks/Punkbands
sich gegen Rassismus positionieren.
Er wird zudem von Paul Simonon von
The Clash illustriert, der 1978 in einem
Interview mit dem amerikanischen
Fanzine ‚Search & Destroy‘ erklärte, die
Gruppe wolle „eine meistverkaufte
Band sein, die etwas beizutragen hat,
auf die die Leute tatsächlich abfahren
und die tatsächlich dazu beitragen
kann, die Einstellung der Menschen zu
ändern“. 8
Obwohl Punk als eine randständige
Subkultur begann, wurde die Musik
schnell populär und wurde ein
leuchtendes Beispiel für Kunst als
Massenmedium, zumindest dank des
kapitalistisch geprägten Geschäftssinns
einiger Plattenfirmen. Wenn es – wie
der Musiktheoretiker und Soziologe
Simon Frith argumentiert – in der
Musik darum geht, „Gefühle und Ideen
7 Johnny Rotten, Interview mit Tommy
Vance für BBC Capital Radio 1, 15. Juli
1977.
8 Paul Simonon, Interview mit Search &
Destroy, San Francisco, 1978
zu teilen“ 9 , und wenn gleichzeitig die
Rockmusik als Massenmedium fungiert,
das von Hunderttausenden von
Menschen fast gleichzeitig erlebt wird,
dann liegt es nahe, dass Punk und seine
Botschaft das Potenzial hatte, ein sehr
breites Publikum zu erreichen und
damit zu beeinflussen. Als The Clash
Ende 1978 bei einem RAR-Gig vor rund
100.000 Menschen zusammen mit
Jimmy Pursey (SHAM 96) ‚White Riot‘
spielten, kann dies daher als ein
bedeutendes politisches Ereignis und
Statement angesehen werden, das seine
Wirkung nicht verfehlte.
Es stimmt zwar, dass die Auswirkungen
oder der Einfluss von Punk und seine
Beziehung zu RAR und Antirassismus
nicht eindeutig sind, aber es gibt viele
Hinweise darauf, dass genauso wie jede
kulturelle Bewegung die Einstellung der
Menschen beeinflussen kann, Punk dies
auch getan hat. Wenn Punk als eine
Bewegung angesehen wird, die den
Antirassismus vertritt, muss in diesem
Zusammenhang zumindest teilweise auf
die Wirkungskraft von Punk auf linke
Positionen (und umgekehrt) hingewiesen
werden, die belegen, dass Punk schon in
der Entstehung der eigenen Geschichte
politisch ist, weil Punk den Wirkungsgrad
und die Effektivität der Musik zu steigern
und die Positionierung von Musik als
Waffe und politisches Instrument
klarzustellen wusste. So wie es die Band
Ton Steine Scherben in ihrer
Selbstdarstellung „Musik ist eine Waffe“
von 1972 ausdrückte: „Musik ist eine
Waffe! Musik kann zur gemeinsamen
Waffe werden, wenn du auf der Seite der
Leute stehst, für die du Musik machst“. 10
9 S. Frith, Performing Rites: On the
Value of Popular Music, Oxford
University Press, Oxford, 1996, S. 251
10 Ton Steine Scherben (1972): Musik ist
eine Waffe, in: Die Schwarzen Protokolle,
Nr.1, Juli 1972, S.53f.
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