UNDERDOG 62
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
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damit gesellschaftlichen
Selbstverständnisses benutzt worden ist,
um soziale Missstände sichtbar zu
machen und politische Kämpfe
und öffentlich-wirksames Schaufenster mit
zunehmend eruptiver Gewalt. Mit
einsetzender Gewalt wurden die öffentliche
Mobilität und der Verkehr unmöglich – die
Stadt wurde ‚besetzt‘ und umkämpft. Die
Chaostage in Hannover, 1984
auszutragen.
Der kulturelle Mythos von der Eroberung
der Straße durch die bürgerliche
Ordnung zieht zudem einen weiteren
nach sich, nämlich den der antibürgerlichen
Rückeroberung, vor deren
Hintergrund sich die Chaostage 1995
lesen lassen. Die Straße und der
öffentliche Raum wurde ein freier
Identifikations- und Treffpunkt. Bunt
gekleidete Punks füllten die Innenstadt
Hannovers, tranken idealtypisch Bier und
hörten laute Musik. Dies erzeugte eine
Spannung zum Rest der Bevölkerung, die
sich gestört fühlten. Die Figur des
zivilisierten, ruhe- und ordnungsliebenden
Bürgers sah sich in direkter
Auseinandersetzung mit der Figur, die
Lärm, Schmutz und Chaos rituell
inszenierte.
Die Polizei sollte die Ordnung wieder
herstellen. Der Kampf um die Straße
begann. Und die Straße wurde mediales
Polizei drängte die Punks in Hannovers
Nordstadt ab. Diese wiederum erkämpften
sich durch Barrikaden, Wurfgeschosse und
Körperkraft neuen Raum. Die materielle
Grundlage ihres Kampfes entstammte der
Straße selbst: Pflastersteine, Café-Mobiliar
oder Zäune. Die Straße wurde also zum
Austragungsort und zugleich zur Waffe des
Straßenkampfes. Auf diese ‚Neugestaltung‘
der Straße reagierte die Polizei
entsprechend mit Einsatztruppen,
Wasserwerfern und Räumfahrzeugen. Die
Plünderung eines Penny-Markts durch
Punks (und Bürger*innen) stellt im Zuge
dieser Ereignisse die größte Annektierung
und ‚Umgestaltung‘ bürgerlicher
Infrastruktur dar.
Selbst wenn die bürgerliche Ordnung
wieder hergestellt wurde, haben die
Chaostage gezeigt: Die Teilnehmer*innen
der Chaostage hielten der Gesellschaft
einen Spiegel vor, wodurch ihre
bürgerlichen Grundwerte, derer sie sich
sicher geglaubt, entzaubert wurden.
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