UNDERDOG 62
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
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und der Solidarität der Jugend (‚If The
Kids Are United‘; Sham 69).
Wenn Punk politisch subversiv war,
dann bestand die eigentliche Botschaft
der Musik in einer Kritik an fast jedem
Aspekt der Gesellschaft, in der die
jungen Leute lebten. Natürlich wurde
dieses Bild seit den Anfängen der
Subkultur auf den Titelseiten der Musik
und der Boulevardpresse reißerisch
aufgegriffen und es gab auch viel
Gegenwind. Es sollte daran erinnert
werden, Punk nicht als eine einheitliche
Bewegung zu betrachten. Dennoch ist
das Ausmaß, in dem Punkmusik Fragen
wie die oben genannten aufwirft,
auffallend und steht in einem tiefen
Kontrast sowohl zur amerikanischen
Punkszene als auch zu der früheren
Generation von Rockern. Dieser letzte
Punkt ist insofern von Bedeutung, als
ein Großteil der Bands und ihrer
Rezeption durch die
Musikkonsument*innen versuchten,
entweder ihre Beziehung zu ihrem
Publikum oder ihren Status als Rebell
zu bewahren. ‚Start the Revolution
without John Lennon‘ war
beispielsweise die Überschrift eines
NME-Artikels. 5 Die ‚neue Welle‘ wurde
von vielen als eine progressive,
hausgemachte Antwort auf eine
kulturelle und politische Leere
verfochten.
In Roger Sabins Darstellung wird Punk
als entweder linksgerichtet oder
antirassistisch fremddefiniert. Sabin
kritisiert die 'punkigen' Ansprüche an
den Antirassismus, indem er betont,
was mensch als eine Tendenz zum
Tunnelblick im Fokus einer solchen
politischen Haltung bezeichnen könnte.
Der Verweis der west-indischen oder
afrikanisch-karibischen Kultur und
5 NME, 14. Januar 14 1978, S. 22-23.
Erfahrungen mit Rassismus schloss
unter anderem die große asiatische
Einwandererpopulation aus, die die
Hauptlast der rassistischen Gewalt
erlebte, die aber nach Sabins Meinung
nicht als ‚cool‘ genug angesehen wurde,
um Solidarität zu gewinnen.
Die Verbindung zwischen der Reggae-
Kultur und Punk drückt sich bspw. im
Song ‚Police and Thieves‘ des
jamaikanischen Reggaemusikers Junior
Murvins aus, welcher 1976 durch eine
Coverversion von The Clash vor allem
in der britischen Punkszene bekannt
wurde. Diese kulturelle Verknüpfung
und künstlerische Verschmelzung,
sowie die groß angelegten RAR-Gigs,
bei denen Bands aus beiden Genres
nebeneinander spielten, führten zu
einer Fokussierung auf Punk und den
Einfluss von Reggae und andererseits
zur Vernachlässigung und Ausschlüsse
asiatischer Jugendliche, die entfremdet
zurückgelassen wurden.
Auf der anderen Seite hebt Sabin
Vorfälle von Rassismus hervor, die von
Punk-Bands und ihren Anhänger*innen
ausgedrückt wurden. Tatsächlich gibt es
häufig Beispiele für Artikel in der
Musikpresse, in denen die Angst vor
einem neofaschistischen
Wiederaufleben aufgrund der
politischen Leere innerhalb des Punk
zum Ausdruck gebracht wird, wobei die
erwähnte Verwendung des
Hakenkreuzes ein zentrales Thema
war.9 Dies unterstützt Sabins Argument
bis zu einem gewissen Grad, ebenso wie
seine Hinweise auf rassistische
Äußerungen. Bernie Rhodes, der
Manager von The Clash, habe in Bezug
auf gewalttätige Angriffe auf die
asiatische Einwanderergemeinschaft
gesagt, „es gibt viele Pakis, die es
verdient haben“. 6
6 R. Sabin, op. cit., S. 62.
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