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UNDERDOG 62

Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.

Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.

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nach einer offiziellen Erklärung an

einem Herzversagen verstarb.

Anzeichen für seine wahnhaften

Gedankenwelten lassen sich auch im

Song ‚Der Diktator‘ finden: „(...)Ich

steche euch die Augen aus, ich schlage

euch den Schädel ein. Ich, der

Herrscher über alles, werde euer

Richter sein. Keine Gnade lass ich

walten, nur die Rache wird bestehen.

Von mir aus kann alles, was kreucht und

fleucht, zur Hölle gehen(...)!“

Abgesehen von Otzes Image und den

provokant-radikalen Inhalten, war Punk

in der DDR immer ein gefährliches

Unterfangen. Punks wurden vom

Ministerium für Staatssicherheit als

„negativ-dekadente Jugendliche“

eingestuft und verfolgt. Die LP „DDR

von unten“ (erschienen auf Aggressive

Rock Produktionen) war die erste Punk-

Platte der DDR. Das Album ist eine

Split-LP der Bands Schleimkeim (SK)

und Zwitschermaschine. Schleim-

Keim nannte sich aus Gründen der

Tarnung auf der LP SAUKERLE.

Zustande gekommen ist die

Veröffentlichung, weil Sascha Anderson,

Sänger von ZWITSCHERMASCHINE,

die Aufnahmen in den Westen

schmuggelte. Der Plan von Schleim-

Keim, sich mit Saukerle umzubenennen

und zu tarnen, konnte nicht aufgehen,

weil bei der Produktion der LP zwei IM

unerkannt mitwirkten. Dem einen

gehörte der Aufnahmeraum. Der andere

organisierte die ganze Sache: Sascha

Anderson.

Für die drei damals knapp 20-jährigen

Schleimkeim-Mitglieder hatte die

Veröffentlichung der LP im Westen

ernste Konsequenzen. Nach

zweimonatiger Observation und

Ermittlungen wurden sie am 29. März

1983 in Untersuchungshaft genommen.

Otzes Bandkollegen kamen nach

wenigen Tagen wieder frei, während er

vier Wochen in U-Haft blieb, zwei davon

verbrachte er in Einzelhaft. Besonders

der Text zum Lied „Ende“: „(...)Ich

schäme mich schon lange nicht mehr

für meine Heimat, die DDR(...)Bin damit

durch(...)Karriereristen und Faschisten

und nur falsche Kommunisten(...)“

erregte die Aufmerksamkeit des MfS.

Im Buch «Satan, kannst Du mir noch

mal verzeihen. Otze Ehrlich, Schleim-

Keim und der ganze Rest.» 3 offenbart

am Ende des Buches in zwei

Gesprächen seinen Wahnsinn.

Auswirkungen von Punk und

Anarchie auf die

(sub)kulturelle Szene in Wien

Hausbesetzungen, Räumungen,

Demonstrationen und Konfrontationen

flankiert von Musik, Alkohol und der

Forderung nach kulturellen

Freiräumen, antikapitalistischer

Lebensgestaltung und autonomen

Wohnräumen.

Die Ziele der Anarchist*innen

erschienen auch vor vierzig Jahren als

eine idealistische und naive Utopie.

Dennoch hat die Punkbewegung auch

dazu beigetragen, dass es im Wien der

achtziger Jahre zu einer kulturellen

Umgestaltung kam und die Stadt aus

dem biedermeierlichen

Dornröschenschlaf gerissen wurde. Der

erste Versuch, sich selbst Freiräume zu

schaffen war die Arena-Besetzung 1976.

Obwohl diese Aktion nicht auf die Punks

zurückgeht, war es die Initialzündung

für die subkulturelle Rebellion der

Achtziger. Es brodelte in Wien, die

Jugendlichen hatten den Mief der

trostlosen Stadt satt. Die Titel der

damaligen Punk-Fanzines bringen es auf

den Punkt: „Totes Wien“ oder „Es is

zum Scheissn“. Die Gaga, ein besetztes

Haus in der Gassergasse im 5. Bezirk,

3 Anne Hahn, Frank Willmann: Satan,

kannst Du mir noch mal verzeihen. Otze

Ehrlich, Schleim-Keim und der ganze

Rest. Ventil Verlag, 176 S., brosch., 11,90

EUR.

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