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UNDERDOG 62

Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.

Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.

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Ein Vorläufer der »Hannoverschen

Chaostage« fand 1982 an mehreren

Samstagen in Wuppertal statt, nachdem

die dortige Stadtverwaltung versucht

hatte, den dort lebenden Punks zu

verbieten, sich in Gruppen um einen

zentralen Brunnen in der Innenstadt zu

versammeln. Dieser Versuch bewirkte

jedoch, dass sich fortan nicht nur

Wuppertaler, sondern auch Punks aus

anderen Orten in Wuppertal trafen.

Diese Treffen wurden „Wuppertaler

Punk-Treffs“ genannt.

Als ‚erster Chaostag‘ in Hannover kann

bereits der 18. Dezember 1982 gelten.

Ein seltenes Tondokument belegt, dass

Jello Biafra während des legendären

Auftritts der Dead Kennedys zwei Tage

zuvor am 16. Dezember 1982 im

Kursaal in Bad Honnef ausdrücklich zu

„Chaostagen“ aufrief und sich dabei

ebenfalls auf die geplante Punkerkartei

bezog.

„Wir wollten ein riesiges Punk-Treffen

veranstalten, zu dem auch alle

»Pseudo-, Mode-, Karnevals-, Pattexund

Disco-Punks« eingeladen waren,

auf dass der Polizei-Computer vor lauter

ätzender Punk-Daten explodiere. In den

folgenden Wochen ließen wir

Unmengen von Flugblättern und

Plakaten auf die Menschheit los, auf

denen wie im Countdown den

»Untergang Hannovers« beschworen

wurde. Enorm half uns die DEAD-

KENNEDYS-Tour, die gerade stattfand.

Es gelang uns, irgendwie über die

Reihen breitschultriger Ordner-

Arschlöcher Kontakt mit dem DK-

Schlagzeuger aufzunehmen, und kurze

Zeit später war die ganze Band über die

Verfilmung werden mit Einspielern über

die Ereignisse in Hannover unterlegt.

Weiterhin werden Anmoderationen

mehrerer Fernsehsendungen gezeigt, in

denen fragend und ratlos mit dem

Phänomen der Chaostage umgegangen,

Hannover mit „Beirut oder Belfast“

verglichen wird.

Sache informiert. Kurzerhand wurde

der Song »Nazi-Punks – Fuck Off!« zu

«Chaos Day – Chaos Day« umgetauft,

und Wolle wurde auf die Bühne geholt,

um die Werbetrommel für unser Treffen

zu rühren. Wolle fuhr dann auch den

Rest der Tour mit, um auch in anderen

Städten zum CHAOS-TAG einzuladen...“

2

«Saufen, kaputtmachen, sich mit

den Bullen anlegen» (Tobias

Scheiße, HAMMERHEAD)

Die Chaostage der Neunziger

zeichneten sich durch teilweise heftige

Auseinandersetzungen der Punks und

einheimischer Jugendlicher mit der

Polizei aus. So kam es bei den

Chaostagen vom 4. bis 6. August 1995

in der Nordstadt von Hannover es zu

Straßenschlachten mit bis zu 3.000

Polizisten und

Bundesgrenzschutzbeamten, dabei

wurden 179 Polizisten und Chaostage-

Besucher verletzt. Gegen 220

Chaostage-Besucher*innen wurde

später Anklage wegen verschiedener

Delikte erhoben. Vor allem die

Plünderung eines Penny-Supermarktes

in der Nordstadt sorgte für Chaos im

Straßenverkehr und Aufruhr bei der

Bevölkerung und den Medien, die von

bürgerkriegsähnlichen Zuständen

sprachen. Am 5. August verlagerte sich

das Geschehen in den Stadtteil

Hannover-Linden, wo zeitgleich das

Fährmannsfest Hannover, ein

alternatives Open-Air-Festival,

stattfand. Vielen Punks wurde zuvor in

der Innenstadt von der Polizei gesagt,

dort fände ein Punktreffen statt.

Nachdem am frühen Abend ein

Bierstand mit den Worten „Freibier für

alle!“ überfallen wurde, wurde das

Fährmannsfest von der Polizei gestürmt.

2 https://www.karlnagel.de/der-erstechaos-tag/

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