UNDERDOG 62
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
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menschliche Rasse nennt, und einer
noch engeren Gemeinschaft, die sich
Kultur nennt. Warum sollten wir diese
Dinge wohl oder übel zerstören
wollen?“ 1 Trotzdem. Die Sex Pistols
lösten im November 1976 mit ihrer
ersten Single „Anarchy in the UK“ ein
musikalisches Erdbeben aus. Mit dem
Epizentrum London wurde Punk-Musik
zum Inbegriff einer anarchistisch und
egalitär ausgerichteten
Weltanschauung, bei der es immer laut
und provokativ zuging.
Anders als die von Wattie und
Rotten propagierte Anarchy, füllte das
Kollektiv CRASS den neu geschaffenen
subkulturen Freiraum mit Inhalten.
CRASS wurden immer als Anarchisten
bezeichnet. In einem Radiointerview
meinte Penny Rimbaud auf die Frage,
ob sie Anarchisten wären, dass sie nach
band-internen Debatten zum Schluss
gekommen waren, dass sie in erster
Linie Menschen sind. Bandkollege
1 https://www.rollingstone.com/music/mu
sic-features/sex-pistols-break-down-nevermind-the-bollocks-track-by-track-204277/
Steve Ignorant indes hat sich ohne
Vorbehalt als Anarchist bezeichnet.
George Bergers „Subversive Zeiten –
Die Crass Story“ liefert Einblicke in das
CRASS-Kollektiv, in der Frauen* (Eve
Libertine, Joy De Vivre) und Männer*
(Penny Rimbaud, Steve Ignorant, Phil
Free u. a.) gleichberechtigt in einer Art
kreativen Bandkommune lebten. Das
konsequente Selbstverständnis von
linker Politik, DIY und Anti-Kapitalismus
drückte sich nicht nur in den Texten,
sondern in fast allen mit der Musik
verbundenen Bereichen aus. CRASS
gehörte beispielsweise zu den ersten
Bands, die eine Preisangabe („Zahl
nicht mehr als...“) auf die Hüllen ihrer
Schallplatten druckten, um
unverhältnismäßig hohe Gewinne von
WiederverkäuferInnen auszuschließen.
Die Band selbst vertrieb die
Schallplatten fast zum
Herstellungspreis. Mehrfach
unterstützte die Band über den
finanziellen Gewinn ihrer
Veröffentlichungen einzelne Projekte, so
wurde beispielsweise der Überschuss
aus dem Verkauf der Single „Bloody
Revolutions“ dem Anarchistischen
Zentrum in London zur Verfügung
gestellt, an dessen Aufbau sich
Mitglieder der Band auch direkt
beteiligten.
Für die damals schockierte
Öffentlichkeit waren die SEX PISTOLS
der Inbegriff des Bösen, aber selbst
Songs wie ‚Anarchy in the U.K.‘ waren
nicht mehr, als ein provokanter
Aufschrei. CRASS indes steht für ein
Image, für eine Haltung, für einen
Grundkonsens, der Punk, DIY und
Anarchie mit Authentizität verknüpft.
Neben CRASS zählen auch CONFLICT
zu den ersten englischen Anarcho-Punk-
Bands, deren erste EP ‚The House That
Man Built' auf Crass Records erscheine.
Eine weitere Verbindung zu CRASS war
Steve Ignorant, der auf CONFLICTs „To
a nation of animal lovers“ gastierte, und
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