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UNDERDOG 62

Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.

Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.

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Paramilitär und Punk – die

unterschiedlichen Wege der

Troubles-Jugend

Musik aus Irland wird im

Allgemeinen mit traditioneller irischer

Musik (Irish Folk) oder mit Bands, die

sich der gemeinsamen keltischen

Wurzeln bedienen, in Verbindung

gebracht, aber Punkrock, ein Genre,

das – abgesehen von den

effekthaschenden Klängen keltischer

Punkbands der Diaspora am Ende des

20. Jahrhunderts – wenig mit dem

Irischen assoziiert wird, spielte eine

bedeutende Rolle im Alltagsleben eines

Teils der Jugend Nordirlands und

negierte die Diskurse des

unionistischen Exzeptionalismus und

des republikanischen Idealismus.

Die Phase des komplexen sozialen und

politischen Nordirlandkonflikts, der oft

als „die Unruhen“ bezeichnet wird,

begann 1969 und dauerte bis in die

1990er Jahre, forderte über 3.500

Todesopfer und spaltete die katholische

und die protestantische Gemeinschaft

auf bittere Weise. Mit politischen und

religiösen Wurzeln, die weit in die

Vergangenheit zurückreichen, betraf er

Paramilitärs, Politiker, Mitglieder der

britischen Sicherheitskräfte und

einfache Bürger. Die Gesellschaft war in

zwei gegensätzliche hegemoniale

Blöcke geteilt, die aufgrund ihrer

unvereinbaren Bestrebungen in einer

Sackgasse zu stecken schienen.

Die Unionisten-Loyalisten, von denen

die meisten Protestanten waren,

wollten, dass die Region ein Teil des

Vereinigten Königreichs bleibt, hingen

an der britischen Krone, an einem

Gefühl von Britishness und hatten nach

Jahrhunderten des Lebens auf der Insel

als privilegierte Minderheit eine

Belagerungsmentalität entwickelt. Die

nationalistischen Republikaner,

mehrheitlich katholisch, wollten der

institutionalisierten Diskriminierung ein

Ende setzen und wünschten die

Errichtung einer inselweiten irischen

Republik.

Der Ausbruch des Konflikts im Jahr

1969 traf die beiden kulturellen Zentren

Nordirlands, Belfast und Derry,

unverhältnismäßig stark, und das

städtische Kulturleben kam fast über

Nacht zum Erliegen. Internationale

Bands schlossen den Norden nicht mehr

in ihre Musiktourneen ein – bis 1977

waren Rory Gallagher und Horslips die

einzigen Bands außerhalb der Region,

die Belfast konsequent in ihre

jährlichen Tourneen durch Irland

einbezog – und auch die lokalen Szenen

litten unter der Eskalation des Konflikts.

Nachbarschaften wurden zunehmend

getrennt, da Katholiken und

Protestanten, die in den Jahren vor

Beginn des Konflikts friedlich

zusammenlebten, sich dafür

entschieden oder gezwungen waren,

umzuziehen und unter ihren Ko-

Religionisten zu leben. Der Bau von

‚Friedenslinien‘ materialisierte die

Trennung zwischen den

Gemeinschaften. Aus Angst um ihre

Sicherheit verließen die Menschen

selten nachts ihre Viertel und in Belfast

wurden die wenigen Menschen, die

bereit waren, sich in die Stadt zu

wagen, mit Eisenstangen und

Zaunlatten empfangen. Da viele

Kneipen und Kinos nun unzugänglich

waren, beschränkte sich das

Nachtleben meist auf die Bälle und

Kabaretts, die in Hotels außerhalb der

Stadt stattfanden.

So sahen sich die Jugendlichen nicht

nur mit der Langeweile und der

Arbeitslosigkeit konfrontiert, die sie mit

ihren Altersgenossen im Ausland

teilten, sondern auch mit Sektierertum,

Gewalt, Chancenlosigkeit und einer

ihrer Folgen: einer stark

unterentwickelten kulturellen

Infrastruktur. Bis Mitte des Jahrzehnts

hatte sich die Situation verschlechtert.

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