UNDERDOG 62
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Schwerpunkt: Punk und Politik – Protest, Parolen und Provokation
Unser Schwerpunkt beleuchtet die politischen Komponenten im Punk. Die unterschiedlichen Lebensstile koexistieren, genau wie die Musikstile, nebeneinander und tragen zu einem lebendigen Diskurs innerhalb der „Szene“ bei. So widersprüchlich Punk mit den verschiedensten Facetten und Varianten bis heute auch sein mag, liefert die Subkultur den Impuls für eine widerständige Kultur, Selbstermächtigung und eine weitgehende Demokratisierung der Popkultur.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
auf Katholiken; eine Mutter beschloss
die Gründung der Organisation „Peace
People“ 3 , nachdem sie den Tod von drei
Kindern miterlebt hatte, die von einem
flüchtigen IRA-Mitglied überfahren
worden waren. Im Jahr 1976 kamen
insgesamt 297 Menschen durch den
gewalttätigen Konflikt ums Leben. Alle
Nachrichtenberichte über Nordirland in
diesem Jahr schienen darauf
hinzudeuten, dass in Großbritannien
Anarchie herrschte.
Das Maze-Gefängnis 2001
2 Shankill ist ein protestantisches Stadtviertel im
Westen von Belfast, das direkt an die katholische
Falls Road grenzt. Hier hatte der Konflikt in den
späten 1960er Jahren begonnen und hier war er stets
am bittersten. Bis heute steht zwischen den zwei
Vierteln eine „Friedensmauer“, die von der Polizei
geschlossen wird, wann immer es kracht. Direkt
hinter der Mauer befand sich das Elternhaus von
Lenny Murphy (1952–1982) – dem Gründer und
Chef einer protestantischen Bande, die Mitte der
1970er Jahre zwei Dutzend Katholiken umbrachte.
Was Murphy und die Shankill-Schlächter so
bemerkenswert machte, war nicht, dass sie
Mitglieder der anderen Konfessionen töteten. Auch
die Anzahl der Opfer war im Nordirland der 1970er
Jahre nicht außergewöhnlich. Das Schockierende
war die Art und Weise, mit der Murphy und seine
Männer vorgingen. Immer wieder fuhren sie spät
nachts durch katholische Viertel, zerrten ihre Opfer
ins Auto und schlugen sie bewusstlos. Anschließend
brachte man sie ins Hinterzimmer eines Pubs,
quälte sie stundenlang, zog ihnen bei vollem
Bewusstsein die Zähne oder hackte ihnen Arme und
Beine ab.
3 Die Peace People begannen 1976 als
Protestbewegung gegen die anhaltende Gewalt in
Nordirland. Ihre drei Gründer waren: Mairead
Corrigan, (jetzt Mairead Corrigan Maguire), Betty
Williams und Ciaran McKeown. Über 100.000
Menschen waren an der anfänglichen Bewegung
beteiligt und zwei der Gründerinnen, Mairead und
Betty, erhielten den Friedensnobelpreis.
Es ist diese ‚andere Nation‘ von
gewöhnlichen Individuen, die mit dem
Druck des zutiefst gespaltenen Landes
zu kämpfen haben, die im Mittelpunkt
dieses Artikels steht, oder – genauer
gesagt – die gewöhnlichen Jugendlichen
– viele von ihnen im Schulalter – die an
einer außergewöhnlichen musikalischen
Subkultur teilnahmen, die ihnen half,
ihren Alltag im sozialen Brennpunkt auf
eine Art und Weise zu gestalten, die mit
den Werte- und Normenprinzip der
Gesellschaft in Konflikt geriet und diese
manchmal untergrub: Punk.
Simon Frith 4 hat darauf
hingewiesen, dass die Wissenschaftler
zwar dem Kino, dem Fernsehen, den
Zeitungen und sogar der Werbung
zunehmend Aufmerksamkeit schenken,
dass aber vergleichsweise wenig über
Musik geschrieben wurde, obwohl „die
Muster der Musiknutzung eine bessere
Karte des gesellschaftlichen Lebens
liefern als die Seh- oder
Lesegewohnheiten“. Dies gilt im
Kontext der irischen Studien, trotz der
Verbindung der Insel mit der Musik, von
den irischen Melodien von Thomas
Moore bis hin zum Mainstream-Erfolg
traditioneller irischer Musik oder
Rockbands, obwohl in den letzten
Jahren mehrere Wissenschaftler
versucht haben, dieses Ungleichgewicht
zu korrigieren. Gerry Smyth 5 sagte,
„wird es in einer historischen
Formation, in der sie als Identitätsindex
eine so herausragende Rolle spielt,
unerlässlich, die Rolle der Musik bei
der Bildung von Diskursen der Macht
und Subversion zu verstehen.“
4 Simon Webster Frith OBE ist ein britischer
Soziomusikologe und ehemaliger Musikkritiker, der
sich auf populäre Musikkultur spezialisiert hat.
5 Gerry Smyth ist ein Akademiker, Musiker,
Schauspieler und Dramatiker aus Dublin, Irland. Er
arbeitet in der Abteilung für Englisch an der
Liverpool John Moores University, wo er Professor
für irische Kulturgeschichte ist.
21