Allgäuer Wirtschaftsmagazin_Ausgabe 4_2021
Der TT Verlag mit Sitz in Kempten veröffentlicht jedes Jahr 6 Ausgaben des Allgäuer Wirtschaftsmagazin plus Sonderausgaben. Pro Ausgabe erreicht die Publikation ca. 50.000 Leser aus dem bayerischen und württembergischen Allgäu. Der Schwerpunkt liegt auf regionale Themen und Unternehmen - ohne die große weite Welt außer Acht zu lassen.
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Themenspezial | Finanzen und Recht<br />
Internationale Unternehmensbesteuerung<br />
beschlossen<br />
Zwei-Säulen-Modell wird von 130 Ländern unterstützt<br />
Mehr als fünf Jahre hat es gedauert, nun haben sich die Staaten auf die wesentlichen Eckpunkte<br />
in der Reform des internationalen Steuerrechts geeinigt. Getragen wird die Lösung von einem<br />
ZweiSäulenModell, das im Jahr 2023 in Kraft treten soll.<br />
Die erste Säule des Modells zielt darauf<br />
ab, dass besonders profitable Konzerne,<br />
wie beispielsweise die großen US-Internetanbieter,<br />
in den Ländern Steuern zahlen,<br />
in denen sie hohe Umsätze generieren.<br />
Wichtiger ist aus Sicht von Experten aber<br />
die zweite Säule, denn hier geht es um eine<br />
neue Definition der Mindestbesteuerung,<br />
die weltweit für möglichst alle Staaten<br />
gelten könnte.<br />
Reformprozess seit Jahren im Gang<br />
Die zunehmende Internationalisierung<br />
und Digitalisierung der Wirtschaft gab den<br />
Anstoß für die Finanzverwaltung von<br />
139 Staaten, die weltweite Unternehmensbesteuerung<br />
zu reformieren. Vor allem die<br />
Gewinnbesteuerung in Ländern, in denen<br />
ein Unternehmen keine physische Betriebsstätte<br />
unterhält, steht dabei im Fokus.<br />
Aber auch eine Reglementierung des<br />
internationalen Steuerwettbewerbs und<br />
eine Hand habe gegen Steueroasen sind<br />
Bestandteil der Bestrebungen. Schwung<br />
ins Thema kam zu Jahresbeginn durch den<br />
neuen US- Präsidenten Joe Biden und seine<br />
Finanzministerin Janet Yellen, weil sie die<br />
bisherige Blockadehaltung der USA aufgaben.<br />
Beim G20-Gipfel in Venedig Anfang<br />
Juli einigten sich die Finanzminister und<br />
stimmten der globalen Mindeststeuer in<br />
Höhe von 15 Prozent zu.<br />
Das sagen die Experten<br />
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands<br />
der Deutschen Industrie, Dr. Joachim<br />
Lang, befürwortet die Einigung: „Mit<br />
der globalen Mindeststeuer erlebt das internationale<br />
Steuer system eine dringend notwendige<br />
Zeitenwende. Es ist gut, dass nun<br />
ein Riegel vorgeschoben wird, Gewinne<br />
in Niedrigsteuerländer zu verlagern.“ Anders<br />
sieht es Ralf Herbener, neu gewählter<br />
Vor sitzender des Finanz- und Steuerausschusses<br />
des Deutschen Industrie- und<br />
Handelskammertages (DIHK): „Das Unterfangen<br />
könnte teilweise zu einer faktischen<br />
Steuererhöhung führen, auch für deutsche<br />
Unternehmen – weil es vielerorts zu<br />
einer Doppelbesteuerung kommen wird.<br />
Die Mindeststeuer ist faktisch eine Substanzsteuer,<br />
weil auch Verluste besteuert<br />
werden. Die Exportnation Deutschland<br />
wird darunter zu leiden haben, fürchte ich.<br />
In vielen Staaten wird Steuerpolitik als<br />
Wettbewerbspolitik verstanden. Die deutsche<br />
Politik hat einen eher ordnungspolitischen<br />
Zugang. Das mag in Teilen nachvollziehbar<br />
sein, im internationalen Wettbewerb<br />
wird es allerdings zunehmend zu einer<br />
Belastung – unabhängig davon, ob eine<br />
Mindeststeuer eingeführt wird oder nicht.“<br />
Dr. Joachim Lang, BDI-Hauptgeschäftsführer<br />
Ralf Herbener, DIHK-Ausschuss-Vorsitzender<br />
Meike Winter<br />
BILDER: CHRISTIAN KRUPPA, RALF HERBENER<br />
106 4 | <strong>2021</strong>