Allgäuer Wirtschaftsmagazin_Ausgabe 4_2021

„Unser Hygienekonzept war von
gesperrten Geräten bis zum
Fieberscanner im Eingangsbereich
perfekt ausgearbeitet.“
Tobias Stegherr,
Fit & Fun Factory Durach
www.fitfunfactory.de
BILDER: HEIDI HAMMES, TOBIAS STEGHERR, HEIKE LÜDTKE
„Hier wurde von der Politik klar
gezeigt, welchen Stellenwert der
Sportbereich hat.“
Heidi Hammes, Pilates Studio Kempten
www.pilates-kempten.de
„Dass ich mein Pilates Studio trotz Hygienekonzept
mit speziellem Luftreiniger, festen
Trainingsplätzen, erweitertem Abstand und
Maskenpflicht abseits der Matte schließen
musste, war ein richtiger Schock für mich“, so
Heidi Hammes, Inhaberin des gleichnamigen
Pilates Studios in Kempten. „Viele meiner
Kunden wollten in dieser schwierigen Zeit
mit einem Einzeltraining etwas Positives für
ihren Körper tun, aber selbst das war ja verboten“,
erzählt die Trainerin. „Uns wurde keinerlei
Perspektive gegeben. Hier wurde von der
Politik klar gezeigt, welchen Stellenwert der
Sportbereich hat“, so die Inhaberin des Pilates
Studios. So sei auch in den Medien viel über
Einzelhandel, Friseure und Gastronomie berichtet
worden, aber der Sport sei nur ganz
selten erwähnt worden.
Diese Erfahrung hatte auch Tobias Stegherr,
Studioleiter der Fit & Fun Factory Durach,
gemacht. „Die ständige Ungewissheit, wie es
weitergehen würde, war fatal. Und auch jetzt
kann sich die Branche noch nicht sicher sein,
ob sie bei steigenden Inzidenzen nicht wieder
als Erste schließen muss“, so der Fitnesstrainer.
„Wir hatten alles nur Mögliche getan.
Unser Hygienekonzept war von gesperrten
Geräten, um den Abstand zu gewährleisten,
bis zum Fieberscanner im Eingangsbereich
perfekt ausgearbeitet“, ergänzt er. Dennoch
musste das Fitnessstudio wie auch alle anderen
Einrichtungen der Branche Anfang November
schließen. Besonders hart sei es, dass
die Schließung genau die wichtigsten Monate
der Fitnessbranche traf, da sich vor allem in
dieser Zeit neue Mitglieder anmelden. Im
Sommer, so Stegherr, sei es sehr schwierig,
neue Mitglieder zu gewinnen, um den
Schwund des letzten Jahres auszugleichen.
Über die Probleme der Mitgliederbindung
spricht auch Heike Lüdtke, Inhaberin des
Yoga Studios Pura Vida in Kempten. „Ich
habe gleich zu Beginn des Lockdowns auf
Onlinetraining gesetzt, weil es die einzige
Möglichkeit für mich war, diese Zeit zu überstehen.
Yoga ist meine ganze Leidenschaft
und persönliche Kontakte sind für mich hier
unabdingbar“, erklärt die Yogalehrerin. Sie
hatte sehr viel in Hardware und die Entwicklung
einer neuen Webseite investiert. „Corona
hat die Menschen sehr verändert. Viele
meiner Kunden wollen derzeit nicht mehr
ins Studio kommen, aber Yoga ist mehr als
nur Onlinetraining zu Hause“, erklärt Heike
Lüdtke. Nach eineinhalb Jahren im Home-
Office brauchen die Menschen nun eine
qualifizierte Unterstützung. Da jedoch online
keine ausreichende Korrektur der Haltung
vorgenommen werden kann, was für
ein gesundes Training eine Grundvoraussetzung
ist, sollte ein Online-Training immer
nur ergänzend zum Präsenzunterricht gesehen
werden, so die Yogaexpertin.
Bei allen dreien herrscht zudem das gleiche
Unverständnis darüber, wie in einer Zeit, in
der die Menschen sowohl physische als auch
psychische Probleme hatten, gerade die Bereiche
als Erstes gesperrt wurden, die genau
dem entgegenarbeiten. „Sport und Gesundheit,
sowohl körperliche als auch psychische
Gesundheit, sind fest miteinander verbunden“,
so Heidi Hammes. „Jetzt ist es an
der Zeit, dass die Menschen wieder mit
kontrolliertem Training ihre Muskulatur
aufbauen und etwas für ihr Herz-Kreislauf-
System tun“, ergänzen Tobias Stegherr und
Heike Lüdtke einhellig. „Das Damoklesschwert
schwebt über uns. Wir hoffen, dass
die Politik versteht, dass Sport ein unverzichtbares
Element unseres Gesundheitssystems
ist.“
Günther Hammes
4 | 2021
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