Vegetarisch fit 04/2021

ewusst leben I ölmühle
zugeführt werden darf. Kleine
Ölmanufakturen achten darauf,
dass die magische Grenze von
40 Grad Celsius nicht überschritten
wird. „Wenn wir in Deutschland
so ein Faible für unsere Öle hätten
wie die Italiener für ihr Olivenöl,
sähe die wirtschaftliche Situation der
kleinen Mühlen noch einmal anders
aus“, meint Ölspezialist Bies. Doch er
will sich nicht beklagen. Hier im Saarland
entscheidet man sich mehr und
mehr für regionale Produkte. Das spürt
das Team gerade jetzt durch den
Online-Handel.
GroSSe Vielfalt
Der historische Hartungshof, der von
Wolfgang Kessler bewirtschaftet
wird, ist für die beiden Saarländer
nach wie vor ein Glücksfall. „Wolfgang
ist immer offen für unsere
Arbeit“, sagt Patric Bies. Damit die
Ölmüller weiterhin auf dem Hof bleiben
können, ist eine Halle gebaut
worden. Vorher standen die Ölmühlen
im ehemaligen Schweinestall, wo
natürlich nur die niedrige Raumhöhe
noch daran erinnerte, dass vor langer
Zeit dort Schweine schmatzten. In
der großen Halle ist nun genügend
Platz für das Lager und die Produktion.
„Endlich konnten wir eine Stempelpresse
für unser Walnussöl aufstellen“,
freut sich Ölmüller Bies.
Biodiversität in der Landwirtschaft
ist das nächste Stichwort. Also Mischkulturen.
Leindotter und Hülsenfrüchte,
wie Linsen und Erbsen, bilden
ein gutes Paar, das sich gegenseitig
unterstützt und somit den Ertrag
erhöht. Früher war Mischkultur
üblich, aber durch die verbreitete
Düngung ist sie nahezu verschwunden.
Den engagierten Ölmüllern liegt
es am Herzen, auch diese Tradition
weiterhin zu pflegen. Vier verschiedene
Linsensorten gehören daher
auch zu ihrem Sortiment – alle Linsensorten
tragen einen Farbnamen.
„Das hängt damit zusammen, dass
die Champagner-Linse nur so genannt
werden darf, wenn sie aus der Champagne
kommt. Daher heißt sie dann
bei uns rote Linse“, erklärt Patric Bies.
Das innige Verhältnis zur
Natur und die Liebe zu den klassischen
Kulturpflanzen zieht sich
wie ein roter Faden durch die
gesamte Unternehmensgeschichte
der Ölmühle. Feste wie das Leinblütenfest
und Bliesgauer Walnussfest
haben sie ins Leben gerufen. Ein Leindotter
Forum – das einzige dieser Art
in Deutschland – organisieren sie seit
2006. Dieses Jahr hätte es eine fünfte
Auflage gegeben. Coronabedingt war
es ein Online-Forum. Apropos Corona:
Es hat ihre Expansion nicht ausgebremst.
„Wir lassen uns immer etwas
einfallen, um im Gespräch zu bleiben“,
nennt der Ölmüller seine einfache
Formel. Dazu zählt der Blog mit
Rezepten. Er habe sie selbst kreiert,
weil die Köche, bei denen man angefragt
hatte, nicht seine Geschmacksnote
getroffen hätten, lautet die
selbstbewusste Antwort. Seine Empfehlung
für die Sommersaison ist
„Mediterraner Linsensalat mit geröstetem
Ziegenkäse und Tomaten“. Also
dann: einen guten Appetit!
Edda Neitz
40 I vegetarisch fit