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Kunstbulletin Dezember 2021

Unsere Dezember Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Sonia Kacem, Sophie Bouvier Ausländer, Nicolas Party, The Other Kabul, uvm.

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Als die Taliban Kabul am 16. August dieses Jahres einnahmen, nahmen die Künstlerinnen<br />

und Künstler deren Drohungen, Rache an den Kollaborateuren und Kollaborateurinnen<br />

des Westens zu üben, beim Wort und versteckten oder zerstörten ihre<br />

Arbeiten, Bücher und Musikinstrumente. Bereits am Folgetag besuchten die Taliban<br />

die Kabuler Kunsthochschule, um Informationen zu sammeln. Am Abend traten Bundesrat<br />

Ignazio Cassis und Bundesrätin Karin Keller-Suter vor die Presse und berichteten<br />

der Nation, dass sie händeringend nach einem Flugzeug suchten, um die lokalen<br />

Mitarbeitenden des DEZA aus Kabul zu evakuieren. Ich hörte ihnen atemlos zu.<br />

Mai<br />

Die Vorbereitung der Ausstellung ‹The Other Kabul – Remains of<br />

the Garden› für das Kunstmuseum Thun war von Beginn von den<br />

globalen Ereignissen abhängig. Zuerst stoppte uns die Pandemie.<br />

Dann zog die Weltgemeinschaft aus Afghanistan ab. Dies veränderte<br />

das Leben der Kunstschaffenden und das Wesen der kuratorischen<br />

Arbeit radikal. Ein Erfahrungsbericht. Susann Wintsch<br />

Wochen zuvor informierten mich die Kunstschaffenden Kabuls aus erster Hand<br />

darüber, wie ihre Welt nach der unverständlichen Ankündigung Joe Bidens, die amerikanischen<br />

Truppen abzuziehen, unaufhaltsam zusammenstürzte. Ich sass im Homeoffice<br />

in Zürich, das von Regenfluten heimgesucht wurde. Seit März <strong>2021</strong> hatte ich<br />

unzählige Videoanrufe geführt. In virtuellen Studiobesuchen stellte ich unser Projekt<br />

zur Diskussion, während die Künstler und Künstlerinnen mich jeweils durch ihre Arbeiten<br />

führten. Da die Verbindung schlecht war, lernten wir uns zu unterschiedlichen<br />

Tageszeiten mit Tee- und Kaffeetassen in der Hand kennen und trafen hie und da auf<br />

Familienmitglieder, die in die Kamera winkten.<br />

Mit den Künstlerinnen Arshi Irshad Ahmadzai und Shahida Shaygan sowie mit den<br />

Künstlern Baqer Ahmadi, Sher Ali Hossaini und Mohsin Taasha stehe ich seither in engem<br />

Austausch. Als Kuratorin des im Jahr 2019 gegründeten Vereins Treibsand habe<br />

ich sie eingeladen, für die Ausstellung ‹The Other Kabul – Remains of the Garden› im<br />

Kunstmuseum Thun 2022 eine neue Arbeit zu schaffen. Die Idee dieser Schau entstand<br />

mit Jeanno Gaussi. Ich hatte die Künstlerin, die im Jahr 2012 an der dOCUMENTA (13) in<br />

Kassel und Kabul teilgenommen hatte, 2018 in Berlin getroffen. Gemeinsam beschlossen<br />

wir, die Avantgarde Afghanistans zehn Jahre später erneut vorzustellen. Aber diesmal<br />

nicht als Produkt eines Landes, das in Krieg und Armut eingesperrt ist, sondern<br />

als Teil einer Auseinandersetzung mit Kunstschaffenden weltweit, die ebenfalls nach<br />

sinnlichen und poetischen Bildern suchen, ohne die Krisen unter den Teppich zu wischen.<br />

Dennoch bilden die Auftragsarbeiten aus Kabul das Herzstück der Ausstellung.<br />

Der Geist des Ortes war stets Kern der kuratorischen Recherche von Treibsand gewesen.<br />

So ging es mir auch in Kabul. Von der Aura einiger Arbeiten, die ich gesehen hatte,<br />

träumte ich nachts und nahm es als ein gutes Zeichen. Das Projekt wurde lebendig.<br />

62 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2021</strong>

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