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Kunstbulletin Dezember 2021

Unsere Dezember Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Sonia Kacem, Sophie Bouvier Ausländer, Nicolas Party, The Other Kabul, uvm.

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Konstruierte und andere<br />

Landschaften<br />

Baden — Stell dir vor, dein Körper wäre eine<br />

Höhle, wo wäre da der Eingang? Diese und ähnliche<br />

Fragen stellt Veronika Spierenburg (*1981)<br />

georgischen Frauen, während sie mit der Videokamera<br />

aus Steinhöhlen heraus die dahinterliegende<br />

Landschaft filmt. Und man fragt sich<br />

in der Tat: Was symbolisieren sie eigentlich, die<br />

Höhlen? Zuflucht, Mutterschoss, Geborgenheit?<br />

Oder bedeuten sie Weitsicht und Weisheit, wie<br />

hier im Kaukasus, wo in den berühmten Höhlenklöstern<br />

einst Mönche hausten und lehrten?<br />

Die Zürcher Künstlerin lässt in der Videoarbeit<br />

‹Aus-Höhlen› Frauen über ihren Körper und<br />

im weitesten Sinn auch über ihre Sexualität<br />

sprechen – aus dem Innersten des Bergs heraus<br />

und vor elegischer Kulisse. So lässt sich etwa<br />

erfahren, dass ältere Frauen vor allem mit dem<br />

Herzen sehen und junge Einheimische die Dinge<br />

ohne Scham beim Namen nennen – womit sich<br />

die Georgierinnen wohl viel weniger von ihren<br />

Artgenossinnen aus dem hoch industrialisierten<br />

Westen unterscheiden, als man annehmen<br />

könnte. So doppeldeutig Titel und Video dieser<br />

schönen Arbeit daherkommen, so vieldeutig<br />

gestalten sich auch die Beiträge der weiteren<br />

Kunstschaffenden im Trudelhaus.<br />

In der Ausstellung ‹Landschaft – erforscht,<br />

interpretiert, konstruiert› greift etwa Moritz<br />

Hossli (*1990) mit einer malerisch wirkenden<br />

Fotoserie die Landschaftsverformungen durch<br />

den Braunkohleabbau in Deutschland auf.<br />

Philipp Schaerer (*1972) wiederum, als Architekt<br />

einst für die Visualisierungen bei Herzog &<br />

de Meuron zuständig und heute vorwiegend<br />

als Künstler tätig, schafft mithilfe von Renderings<br />

Architekturlandschaften und Objekte<br />

von nüchterner Schönheit. Und in Baden<br />

besonders spektakulär: Den ‹Niesen› präsentiert<br />

er wandfüllend – ganz schön getrickst als<br />

weissen Spitz in blutrotem Licht. «Die Berge<br />

als Inbegriff des Physischen und Ewigen,<br />

dargestellt mit flüchtigen Bits und Bytes», wie<br />

Hochparterre treffend schreibt. Sabine Hertig<br />

(*1982) eben noch mit einer Einzelausstellung<br />

in der Grimmwelt Kassel auf Erfolgsspur,<br />

verleimt mit Fetzen aus Zeitschriften und<br />

Büchern reliefartige, dynamische Collagen. Und<br />

schliesslich zeigt der Zürcher Filmer Thomas<br />

Imbach (*1962) mit Ausschnitten aus seinem<br />

grossartigen Filmtagebuch ‹Nemesis›, wie der<br />

Mensch mit dem Abbruchhammer den urbanen<br />

Raum vereinnahmt beziehungsweise wie die<br />

alten Hallen des Zürcher Güterbahnhofs dem<br />

neuen Polizeigebäude weichen. Brachial und<br />

bildgewaltig. FS<br />

Veronika Spierenburg · Aus-Höhlen, 2014,<br />

Videostill, 21’<br />

Thomas Imbach · Nemesis, 2020, Videostill aus<br />

dem gleichnamigen Dokumentarfilm<br />

→ Galerie im Trudelhaus, bis 16.1.; Filmpräsentation,<br />

Thomas Imbach, Kino Orient<br />

Wettingen, 9.12., 19 Uhr<br />

↗ www.trudelhaus-baden.ch<br />

66 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2021</strong>

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