Francis Alÿs — Walking circles, walking lines Das Gehen ist für Francis Alÿs ein künstlerischer Akt. Die Streifzüge, allein oder in Begleitung, bilden den performativen Rahmen seines Nachdenkens über die Paradoxien der Produktivität. Mitgedacht werden soziale, ökonomische und politische Zwänge: ergebnisoffen und nonchalant, doch stets subversiv. Lausanne — Zum Auftakt Kinderspiele: Geschickt lassen Knirpse Drachen steigen, treiben Pneus über Schotter oder vergnügen sich im Kreis. Viel brauchen sie dafür nicht, viel haben sie auch nicht, nicht am Hindukusch. Dort hat der Belgier Francis Alÿs (*1959) für die binational in Kassel und Kabul ausgetragene dOCUMENTA (13) die Arbeit ‹Reel–Unreel› realisiert. Überdies hat er seine Rückkehr in das schon früher mehrfach bereiste Land genutzt, um seine Langzeitserie ‹Children’s Games› zu ergänzen. Die beiden Projekte verklammern nun im Musée cantonal des Beaux-Arts den ersten Teil einer grossen Einzelschau und nehmen uns mit auf eine Reise, welche die mediale Normkost empathisch kontert. Mal sind es stille Sequenzen wie die Porträts, die Alÿs 2013, als «embedded artist» in der Task Force der britischen Armee, von Taliban-Kämpfern und britischen Soldaten beim Waffencheck aufnahm. Mal quellen die Szenen über vor quirligem Leben. Zwischen den Videos Material aus Alÿs’ Archiv: Auf einem der Blätter sind die Worte «follow the line» zu lesen. Sie sind durchgestrichen und ersetzt durch die Maxime «following /UNDOING = tracing = doing». Umgekehrt folgert Alÿs «preceding /DOING = erasing = undoing». Die Einträge, so kurios sie erst wirken, entfalten ihren Sinn in der Ausstellung wieder und wieder: Im Video ‹Reel–Unreel› rollen Buben statt Pneus Filmspulen quer durch Kabul, wickeln sie ab respektive auf und begegnen so dem Filmverbot der Taliban mit einer Fiktion realer Freiheit. Auch der Titel ‹Sometimes Doing Is Undoing and Sometimes Undoing Is Doing›, den Alÿs den Waffencheck-Videos gab, greift diese Logik direkt auf. Weitere Beispiele liefern ältere Arbeiten wie ‹Paradox of Praxis 1› oder ‹The Green Line›. Im ersten Fall schiebt Alÿs ziellos einen Eisblock durch die Hitze von Mexiko Stadt (‹Sometimes Doing Something Leads to Nothing›), im andern visualisiert er mit einer Tropfspur die aggressive israelische Grenzexpansion (‹Sometimes Doing Something Poetic Can Become Political, and Sometimes Doing Something Political Can Become Poetic›). Linien zu ziehen, ist also buchstäblich Alÿs’ Leitprinzip. Wie das Gehen ist es sichtbarer Vektor seines kritischen Handelns. Diese Kohärenz belegt auch der zweite Ausstellungsteil, der neben ‹Paradox of Praxis 1› und ‹The Green Line› ein Dutzend weiterer Projektionen enthält. Manches davon ist in voller Länge auch auf Alÿs’ Website abspielbar. In Lausanne formt es ein lautes, begehbares Ganzes, einen grandiosen Aktions- und Echoraum, der auch weite Anreisewege lohnt. Astrid Näff → ‹Francis Alÿs – As Long as I’m Walking›, Musée cantonal des Beaux-Arts, bis 16.1. ↗ www.mcba.ch 90 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2021</strong>
Francis Alÿs · Children’s Game #7 (Hoop and Stick), 2010, Video, Farbe, Ton, 5’22’’, Bamiyan, Afghanistan, in Zusammenarbeit mit Natalia Almada, Courtesy der Künstler, Galerie Peter Kilchmann, Zürich, und David Zwirner, New York/London/Paris/Hongkong. Videostill: Eye Filmmuseum, Amsterdam Francis Alÿs · As Long as I’m Walking, Ausstellungsansicht Musée cantonal des Beaux-Arts, Lausanne BESPRECHUNGEN // LAUSANNE 91
- Seite 1 und 2:
Dezember 2021 Fr. 10.-/€ 8.-
- Seite 3:
FOKUS 20 Sonia Kacem — Die Sinnli
- Seite 6 und 7:
Camille Pissarro, Femme au fichu ve
- Seite 9 und 10:
27-30.01.2022 10 th edition artgene
- Seite 11 und 12:
The Name of Fear/Vaduz (Enge Räume
- Seite 13 und 14:
ARAKAWA Waiting Voices Gagosian Bas
- Seite 15 und 16:
Manor Kunstpreis Schaffhausen 2021
- Seite 17 und 18:
06.11. 2021 13.02. 2022 VIVIAN SUTE
- Seite 19 und 20:
Tiere Fremde undFreunde Winterausst
- Seite 21 und 22:
CHRISTIAN MARCLAY INVESTIGATIONS MI
- Seite 23 und 24:
Untitled (S Mirroring), 2021, Karto
- Seite 25 und 26:
Ein bisschen fühlt es sich an, als
- Seite 27 und 28:
FOKUS // SONIA KACEM 25
- Seite 29 und 30:
FOKUS // SONIA KACEM 27
- Seite 31 und 32:
aus dem 20 cm dicken Wellkarton ges
- Seite 33 und 34:
erfassen, abwägen, verbinden FOKUS
- Seite 35 und 36:
The Financial Times Diaries (lungs)
- Seite 37 und 38:
FOKUS // SOPHIE BOUVIER AUSLÄNDER
- Seite 39 und 40:
Kunstgewerbe andockenden Arbeitswei
- Seite 41 und 42: Hospital für Pestkranke, 1808-1810
- Seite 43 und 44: erspüren, dass es da ist. Heitere
- Seite 45 und 46: Ferdinand Hodler sah dem Tod ins Ge
- Seite 47 und 48: und Gesichter aus Stein FOKUS // NI
- Seite 49 und 50: taucht daher auch nicht im Werktite
- Seite 51 und 52: FOKUS // NICOLAS PARTY 49
- Seite 53 und 54: Nicolas Party. Foto: Juliana Sohn F
- Seite 55 und 56: grafie widerspiegelt. Hierbei wird
- Seite 57 und 58: Le souvenir laissé par Michel Ritt
- Seite 59 und 60: tanément transformé en un univers
- Seite 61 und 62: A Villa Ciani, l’associazione Art
- Seite 63 und 64: Arshi Irshad Ahmadzai · Sabz-o Sun
- Seite 65 und 66: Ich träumte etwa vom Fragment des
- Seite 67 und 68: HINWEISE Oasis Animation — So wei
- Seite 69 und 70: Close-Up Basel/Riehen — Nur wenig
- Seite 71 und 72: Ceylan Öztrük Freiburg — Ceylan
- Seite 73 und 74: A. R. Penck Mendrisio — Die Mauer
- Seite 75 und 76: Gustave Courbet Winterthur — Den
- Seite 77 und 78: Flow — Erzählfluss im Manga Zür
- Seite 79 und 80: On Photography Zürich — Fotograf
- Seite 81 und 82: Clare Goodwin · environment 1 / Mo
- Seite 83 und 84: Tacita Dean · Antigone, 2018, 2 sy
- Seite 85 und 86: Camille Pissarro · Côte des Bœuf
- Seite 87 und 88: Asta Gröting · Acker, 2012, Epoxi
- Seite 89 und 90: M.S. Bastian / Isabelle L. · Pulpo
- Seite 91: Dominique Teufen · Above, 2018, Dr
- Seite 95 und 96: Mathis Altmann · Corpus Oeconomicu
- Seite 97 und 98: Laura Lima · Bar Restaurant, 2010/
- Seite 99 und 100: Walter De Maria · The 2000 Sculptu
- Seite 101 und 102: Art Club2000 · Untitled (Donut Sho
- Seite 103 und 104: Francesca Gabbiani · Mutation V (c
- Seite 105 und 106: Earth Beats - Naturbild im Wandel,
- Seite 107 und 108: schulen gelehrt und ist auch bekann
- Seite 109 und 110: Marie-Theres Amici Kunstpreis 2021
- Seite 111 und 112: Heimspiel 2018, Kunstraum Dornbirn.
- Seite 113 und 114: Debora Vrizzi · Family Portrait, 2
- Seite 115 und 116: chen Welten zusammenfinden, sich ge
- Seite 117 und 118: BÜCHER Die Redaktion empfiehlt Aus
- Seite 119 und 120: Basel — Catherine Meurisse, Carto
- Seite 121 und 122: Zentrum Paul Klee, Monument im Fruc
- Seite 123 und 124: Centre d’édition contemporaine,
- Seite 125 und 126: Apropos, Sentimattstrasse 6, *41 24
- Seite 127 und 128: Solothurn — Francisco Sierra, Kun
- Seite 129 und 130: Winterthur — Laurenz Stockner, Ge
- Seite 131 und 132: Beletage Art Space, Utoquai 41, c/o
- Seite 133 und 134: Berlinische Galerie, Alte Jakobstr.
- Seite 135 und 136: Halle Kunstmuseum Moritzburg Halle
- Seite 137 und 138: Osnabrück Kunsthalle Osnabrück, H
- Seite 139 und 140: Mulhouse — Collectif Kaya&Blank,
- Seite 141 und 142: Italien *0039 Agrate Cascina I.D.E.
- Seite 143 und 144:
Surrealism and Magic - Enchanted -
- Seite 145 und 146:
KBr Fundación MAPFRE, Avenida Lito
- Seite 147 und 148:
Santa Cruz de Tenerifa Tea Tenerife
- Seite 149 und 150:
Hongkong *0852 Hong Kong Hauser & W
- Seite 151 und 152:
Kunstraum Baden Ruth Maria Obrist 2
- Seite 153 und 154:
grande finale 4. dez. 2021, 16 bis
- Seite 155 und 156:
JULIAN CHARRIÈRE & KATIE PATERSON
- Seite 157 und 158:
neues a telier 5 opendoor 3.12. 17-
- Seite 159 und 160:
Prix FEMS Skulptur 2022 Keramik «g
- Seite 161 und 162:
Neufrankengasse 4, CH-8004 Zürich
- Seite 163:
LA PETITE CALIFORNIE VALENTIN CARRO