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Kunstbulletin Dezember 2021

Unsere Dezember Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Sonia Kacem, Sophie Bouvier Ausländer, Nicolas Party, The Other Kabul, uvm.

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Techno<br />

Bozen — Elektronische Musik pocht durch die<br />

Kopfhörer, die mir am Eingang in die Hände gedrückt<br />

werden. Eine Silent Party im Kunstmuseum?<br />

Ein Day Rave? Weder noch: Drei Techno-<br />

Tracks, die in Dauerschleife laufen, sollen mich<br />

begleiten, während ich über vier Etagen mit<br />

ökologischen, gesellschaftlichen und geopolitischen<br />

Fragen konfrontiert werde.<br />

Die Gruppenausstellung ‹Techno› im Museion<br />

Bozen bildet den Auftakt des Langzeitprogramms<br />

‹Techno Humanities› (<strong>2021</strong>–2023) des<br />

neuen Museumsdirektors Bart van der Heide.<br />

Mit seinen synthetisch erzeugten Klängen<br />

markiert Techno den ersten Höhepunkt der Automatisierung<br />

in der Musikbranche. Das in der<br />

Deindustrialisierung entstandene Genre beleuchtet<br />

Themen, die immer relevanter werden:<br />

stete Beschleunigung, die Rollenteilung von<br />

Mensch und Maschine, den Wechsel zwischen<br />

Produktivität und Entspannung. Die Ausstellung<br />

selbst thematisiert aber zunächst den<br />

regionalen Bezug des Musikstils: Als Warm-up<br />

liegen auf einem langen Tisch im Erdgeschoss<br />

verschiedene Flyer, Bilder, Platten sowie Kopfhörer<br />

mit Mixtapes der Südtiroler Technoszene<br />

seit 1990 bereit.<br />

In der Gegenwart angekommen, zeichnet die<br />

Ausstellung in den drei Themenbereichen<br />

«Freiheit», «Kompression» und «Erschöpfung»<br />

ein düsteres Bild. Ein seltsames Empfangskomitee<br />

aus vier gespenstischen Sensenmännern<br />

überwacht den ersten, grün beleuchteten<br />

Raum. Die Technomusik in meinen Ohren<br />

grollt – oder meine ich das nur? Die in der<br />

Pandemie entstandenen ‹Spectral Keepers› von<br />

Sandra Mujinga stehen für Gefahren unserer<br />

Zeit: die digitale Überwachung oder die fortschreitende<br />

Umweltzerstörung zum Beispiel.<br />

Im Raum «Erschöpfung» spannt sich das<br />

aufblasbare Labyrinth ‹Devotion Strategy›<br />

des Schweizer Künstlers Jan Vorisek auf, das<br />

2020 im Kunsthaus Glarus zu sehen war. Ich<br />

schreite durch scheinbar identische Gänge aus<br />

schwarzem PVC und befinde mich in einem<br />

dreidimensionalen Loop. Auch Voriseks Arbeit<br />

verharrt in einer Wiederholung: Während des<br />

Ausstellungsbetriebs sind die Wände mit Luft<br />

gefüllt, am Abend wird die ephemere Architektur<br />

wieder entlüftet.<br />

In den Themenräumen «Freiheit» und «Kompression»<br />

ist die Zuteilung einiger Arbeiten<br />

nur schwer nachvollziehbar. Ansonsten ist der<br />

Auftakt zu ‹Techno Humanities› fulminant und<br />

inspirierend: 20 Südtiroler und internationale<br />

Positionen bringen den Begriff Techno kräftig<br />

zum Flimmern. Und auch meine Gedanken, die<br />

jetzt gut eine After-Hour gebrauchen könnten.<br />

Natalie Schärer, (Schreiben über Kunst, MA<br />

Kulturpublizistik ZHdK)<br />

Sandra Mujinga · Spectral Keepers, 2020.<br />

Foto: Luca Guadagnini<br />

Mire Lee · Untitled, <strong>2021</strong>; Jan Vorisek ·<br />

Devotion Strategy, 2020 (hinten), Ausstellungsansicht<br />

Museion Bozen, <strong>2021</strong><br />

→ Museion Bozen, bis 16.3.<br />

↗ www.museion.it<br />

68 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2021</strong>

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