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Kunstbulletin Dezember 2021

Unsere Dezember Ausgabe 2021, mit Beiträgen zu Sonia Kacem, Sophie Bouvier Ausländer, Nicolas Party, The Other Kabul, uvm.

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Lutz, Teufen, Štrba — Das Sichtbare ausloten<br />

Wie sich mit dem vermeintlich objektiven Medium der Fotografie<br />

Unsichtbares sichtbar machen und Sichtbares infrage<br />

stellen lässt – das zeigt das Musée des Beaux-Arts in La<br />

Chaux-de-Fonds in einer Reihe locker miteinander verknüpfter<br />

Ausstellungen.<br />

La Chaux-de-Fonds — In den ersten Räumen des Parcours verströmen Madonnenbilder<br />

von Annelies Štrba (*1947) ein geradezu überirdisches Leuchten. Die auf Leinwand<br />

gezogenen Fotografien gemalter Marien und realer Mütter haben sich durch<br />

fototechnische Bearbeitungen in intensiv farbige, wolkige Abstraktionen verwandelt.<br />

Aus stillen Ikonen sind poppige Farbgesten geworden, die sowohl den Abbildungscharakter<br />

einer Fotografie wie auch den gesellschaftlichen Stellenwert von Mütterlichkeit<br />

und Weiblichkeit hinterfragen. Die Arbeiten von Dominique Teufen (*1975)<br />

wirken zunächst wie ein explizites Gegenprogramm zu Štrbas Madonnen-Träumen.<br />

Bei Teufen taucht man in stille Landschaften in dämmerigen Grautönen. Gewaltige<br />

Bergmassive, schlummernde Seen, sacht sich kräuselnde Wellen am Meeresufer –<br />

wunderbar meditativ. Die Naturräume in diesen Bildern scheinen unberührt von<br />

Menschenhand. Das Gegenteil ist der Fall: Menschenhände haben diese Landschaften<br />

erschaffen, genauer gesagt die Hände der aus Davos stammenden Künstlerin. Ob<br />

der Firnschnee an der Bergflanke oder eindrucksvolle Wetterstimmungen – bei näherer<br />

Betrachtung erweisen diese und andere Naturphänomene sich als zerknittertes<br />

Papier und zerknautschte Folie. Teufen zeigt so:Tiefe Naturempfindungen lassen<br />

sich auch durch relativ simple Landschaftssurrogate erzeugen.<br />

Um das Ausloten des Sichtbaren geht es in allen fotografischen Positionen, die<br />

zurzeit im Musée des Beaux-Arts in La Chaux-de-Fonds zu sehen sind. Um das Sichtbare<br />

und das, was sich dahinter verbirgt, was mitgedacht, mitgemeint ist. Der Ausstellungsmix<br />

zeigt auch, dass Bilder mit hohem Assoziationspotenzial nicht zwangsläufig<br />

die traumartigen, spielerischen Qualitäten der Werke von Štrba und Teufen<br />

haben müssen. In einem kleinen Seitenkabinett ist die Fotoserie ‹Tropical Gift› von<br />

Christian Lutz (*1973) als Slideshow zu sehen. Die Schwarz-Weiss-Aufnahmen zeigen<br />

Verhandlungen zwischen Funktionären grosser Ölgesellschaften und ihren Partnern<br />

in Nigeria. Die Bilder sind sehr ästhetisch, was zuweilen den Eindruck von Inszeniertheit<br />

erweckt. Andererseits gibt es in der Slideshow immer wieder Bilder, deren<br />

Fokus seltsam verrutscht scheint, so, als finde das eigentliche Geschehen räumlich<br />

oder auch zeitlich ausserhalb des gewählten Bildausschnitts statt. Die Aufnahmen<br />

lesen sich wie eine Short Story, in der vieles so klug angedeutet wird, dass beim Betrachten<br />

eine längere und sehr erhellende Geschichte daraus wird. Alice Henkes<br />

→ ‹Annelies Štrba – Aya›; ‹Dominique Teufen – My Travels through the World on my Copy Machine›;<br />

‹Christian Lutz – Tropical Gift›, Musée des Beaux-Arts, bis 9.1. ↗ www.mbac.ch<br />

88 <strong>Kunstbulletin</strong> 12/<strong>2021</strong>

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