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Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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über wachsenden Widerständen im politischen Umfeld<br />

durchhalten kann und wird.<br />

251. Nachdem bereits im Vorjahr die deutsche Leistungsbilanz<br />

nahezu ausgeglichen war, ergibt sich für<br />

das Jahr <strong>1<strong>99</strong>8</strong> vor allem aufgrund der günstigen Exportentwicklung<br />

erstmals seit der deutschen Vereinigung<br />

ein positiver Saldo der Leistungsbilanz. Dies kann als<br />

Normalisierung gesehen werden. Es gibt keinerlei Anzeichen<br />

einer Störung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.<br />

Mit dem Eintritt in die Europäische Währungsunion<br />

spielen monetäre Aspekte einer Störung des außenwirtschaftlichen<br />

Gleichgewichts für ein einzelnes Mitgliedsland<br />

keine Rolle mehr. Anhand monetärer Indikatoren<br />

wie Wechselkursen und Zinssätzen kann das außenwirtschaftliche<br />

Gleichgewicht in Zukunft nur noch<br />

für den Währungsraum insgesamt beurteilt werden;<br />

welche Aussagekraft nationale Zahlungsbilanzen, soweit<br />

sie noch verfügbar sind, haben werden, ist offen. Innerhalb<br />

des Euro-Währungsraums werden etwaige außenwirtschaftliche<br />

Ungleichgewichte in regionale Ungleichgewichte<br />

umgewandelt. Störungen des Gleichgewichts<br />

werden sich dann daran zeigen, daß die Preisrelationen<br />

zwischen handelbaren und nicht-handelbaren<br />

Gütern in den betreffenden Ländern sich verändern und<br />

anpassen müssen, damit wieder ein Gleichgewicht erreicht<br />

wird; eine Verlangsamung der Produktion und ein<br />

Anstieg der Arbeitslosigkeit, aber auch der Bedarf an<br />

Transferzahlungen wären Indikatoren für das Vorliegen<br />

eines Ungleichgewichts.<br />

Einkommensverteilung: Keine tiefgreifenden<br />

Änderungen<br />

252. Der <strong>Sachverständigenrat</strong> soll gemäß seinem gesetzlichen<br />

Auftrag auch die Bildung und Verteilung von<br />

Einkommen und Vermögen in seine <strong>Begutachtung</strong> einbeziehen.<br />

Er hat diesem Auftrag wegen des Fehlens<br />

geeigneter statistischer Grundlagen seit seinem Bestehen<br />

nur in sehr ungenügender Form entsprechen können und<br />

immer wieder, zuletzt im <strong>Jahresgutachten</strong> 1<strong>99</strong>7/98, auf<br />

das in dieser Hinsicht bestehende Defizit der amtlichen<br />

Statistik hingewiesen (Ziffer 291). Dieses Defizit besteht<br />

immer noch, gleichwohl legen wir in diesem Jahr Befunde<br />

<strong>zur</strong> personellen Einkommensverteilung vor, die<br />

auf zwei Stichprobenerhebungen beruhen, der Einkommens-<br />

und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen<br />

Bundesamtes und dem Sozio-oekonomischen<br />

Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.<br />

Beide Datenbasen ermöglichen in Grenzen<br />

eine Analyse der personellen Einkommensverteilung<br />

(Ziffern 1<strong>99</strong> ff.). Für die Beurteilung der Vermögensverteilung<br />

fehlt eine geeignete Basis.<br />

253. Die unserer Analyse zugrundeliegenden Verteilungsmaße<br />

zeigen übereinstimmend für beide Stichproben<br />

an, daß die Einkommensverteilung nach staatlicher<br />

Umverteilung weniger Ungleichheit aufweist als vorher<br />

– überraschend wäre nur, wenn es sich anders verhielte –<br />

und daß die Ungleichheit zwischen 1983 und 1<strong>99</strong>3 geringfügig<br />

zugenommen hat. Dies muß in Verbindung<br />

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode Drucksache 14/73<br />

damit gesehen werden, daß im gleichen Zeitraum das<br />

Niveau der Einkommen angestiegen ist. Hinsichtlich der<br />

Veränderungen im oberen und im unteren Segment<br />

der Einkommensverteilung sind die Befunde nicht eindeutig.<br />

Während die Dezilverhältnisse bei der SOEP-<br />

Stichprobe darauf hindeuten, daß die Ungleichheit im<br />

unteren Segment mehr zugenommen hat als im oberen,<br />

die insgesamt stärkere Ungleichheit also vor allem durch<br />

den größer gewordenen Abstand zwischen unteren und<br />

mittleren Einkommen bedingt ist, ergibt sich aus der<br />

EVS eher, daß stärkere Verschiebungen im oberen Segment<br />

stattgefunden haben. In beiden Stichproben sind<br />

weder im einen noch im anderen Segment dramatische<br />

Änderungen zu erkennen.<br />

Aus verteilungspolitischer Sicht ist nicht nur von Interesse,<br />

wie die Einkommensverteilung in einer Bezugsperiode<br />

aussieht, sondern auch, mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />

ein Einkommensempfänger in eine höhere Einkommensklasse<br />

aufsteigt oder in eine niedrigere absteigt,<br />

die vertikale Einkommensmobilität also. Diese<br />

Mobilität ist, wie eine Längsschnittanalyse für die<br />

SOEP-Stichprobe anzeigt, beachtlich hoch. So konnten<br />

zum Beispiel von 100 Arbeitnehmerhaushalten, die im<br />

Jahre 1984 der untersten Einkommensklasse (hier: dem<br />

untersten Quintil) angehörten, 77 bis zum Jahre 1<strong>99</strong>4 in<br />

eine höhere Gruppe aufsteigen, 49 davon in die mittlere<br />

Gruppe (das 3. Quintil) und höher. Umgekehrt konnten<br />

sich nur 60 von 100 Haushalten von 1984 bis 1<strong>99</strong>4 in<br />

der obersten Einkommensklasse halten.<br />

254. Die Betonung der sozialen Gerechtigkeit in der<br />

politischen Programmatik, auch durch die neue Bundesregierung,<br />

zeigt an, daß Aspekte der Einkommens- und<br />

Vermögensverteilung im Zielspektrum der Wirtschaftspolitik<br />

hohen Rang haben. Um so wichtiger ist es, diese<br />

Zielvorstellungen möglichst präzise zu konkretisieren.<br />

Damit läßt sich auch die Diskussion versachlichen.<br />

In aller Regel dürfte es für eine wertende Beurteilung<br />

auf die personelle Verteilung ankommen, genauer: auf<br />

die Verteilung der Einkommen auf Personen oder auf<br />

Haushalte. Daraus folgt aber, daß Indikatoren wie die<br />

Lohnquote oder die Arbeitseinkommensquote nicht die<br />

relevante Information liefern. Die Arbeitseinkommensquote<br />

– sie lag im Jahre <strong>1<strong>99</strong>8</strong> mit 76,3 vH ungewöhnlich<br />

niedrig und wird nach unserer Einschätzung im kommenden<br />

Jahr nicht höher sein – gibt an, welcher Teil des<br />

Volkseinkommens auf Arbeitseinkommen, einschließlich<br />

des kalkulatorischen Arbeitsentgelts der Selbständigen,<br />

entfällt. Entsprechend gibt die Lohnquote den Anteil<br />

des Einkommens aus unselbständiger Arbeit an.<br />

Beide Quoten sagen nichts darüber aus, wie sich die<br />

Einkommen auf Personen oder Haushalte verteilen. Zum<br />

einen kann die Verteilung der Arbeitseinkommen unter<br />

den Einkommensempfängern, auch unter den Arbeitnehmern,<br />

sehr unterschiedlich sein; zum anderen haben<br />

die Empfänger von Arbeitseinkommen noch andere<br />

Einkünfte, beispielsweise Zinsen und sonstige Kapitalerträge<br />

oder auch Mieteinkünfte. Wenn die personelle<br />

Einkommensverteilung für die Beurteilung maßgeblich<br />

ist, spielt es keine Rolle, um welche Art von Einkommen<br />

es sich handelt.<br />

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