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Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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hungspraktiken geradezu herausgefordert werden. Die<br />

nach dem Reformvorschlag der Koalition in Aussicht<br />

gestellte Senkung des Steuersatzes auf 35 vH würde eine<br />

Spreizung von immerhin 13,5 Prozentpunkten bedeuten;<br />

dies dürfte verfassungsrechtlich nicht zulässig sein.<br />

Ebenso verfehlt ist die starke Differenzierung zwischen<br />

dem geplanten Spitzensteuersatz der Einkommensteuer<br />

(48,5 vH) und dem angekündigten Thesaurierungssatz<br />

der Körperschaftsteuer (35 vH). Beide Sätze müßten die<br />

gleiche Höhe haben, wenn bei der Unternehmensbesteuerung<br />

Gewinnverwendungs- und Rechtsformneutralität<br />

gesichert sein sollen. Wenn man der Meinung ist,<br />

daß der internationale Steuerwettbewerb in Deutschland<br />

einen Thesaurierungssatz von 35 vH verlangt, dann<br />

müßte man auch den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer<br />

auf diese Höhe setzen. Daß die Koalition hierbei<br />

nicht konsequent vorgeht, ist – abgesehen von verteilungspolitischen<br />

Gründen – wohl damit zu erklären, daß<br />

es bei einer so drastischen Senkung der Grenzsteuersätze<br />

zu erheblichen Steuerausfällen kommen würde, die weit<br />

über die jetzigen Einnahmenausfälle in Höhe von<br />

57 Mrd DM im Jahre 2002 hinausgehen würden.<br />

Bemessungsgrundlage erweitern<br />

377. Die durch die geplante Tarifsenkung hervorgerufenen<br />

Steuerausfälle müssen angesichts der Haushaltslage<br />

weitgehend durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage<br />

ausgeglichen werden. Den damit verbundenen<br />

Abbau von Steuervergünstigungen halten wir<br />

schon aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit für<br />

geboten; er stellt zudem auch einen Beitrag <strong>zur</strong> Vereinfachung<br />

der Besteuerung dar. Die Bundesregierung<br />

plant, über die Ausweitung der Bemessungsgrundlage<br />

ein Finanzvolumen von 42 Mrd DM im Jahre 2002 zu<br />

gewinnen. Allerdings wird auch in diesem Zusammenhang<br />

nicht konsequent vorgegangen. Die Frage, welche<br />

Steuervergünstigungen gestrichen werden sollen, muß<br />

von der Systematik der Einkommensteuer her angegangen<br />

werden; an dieser Stelle sollte man sich nicht nur an<br />

verteilungspolitischen Zielsetzungen (keine stärkere Belastung<br />

niedriger Einkommen) orientieren.<br />

– Zunächst einmal müssen alle bisher steuerfreien Einkommen<br />

lückenlos in der Bemessungsgrundlage erfaßt<br />

werden. Hierzu zählen beispielsweise auch die Zuschläge<br />

zum Arbeitslohn für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit.<br />

Bei den beitragsfinanzierten Versicherungsleistungen<br />

(vor allem bei den Rentenzahlungen aus der Gesetzlichen<br />

Rentenversicherung) ist neben der Besteuerung<br />

des Ertragsanteils auch der des Kapitalrückflusses<br />

insoweit geboten, als die Beiträge steuerfrei gestellt waren.<br />

Auch Erträge aus Kapitallebensversicherungen sind<br />

grundsätzlich zu besteuern. Diesen Bereich von Steuervergünstigungen<br />

will die Koalition überhaupt nicht angehen.<br />

Hier wäre immerhin ein Steuermehraufkommen<br />

von etwa 10 Mrd DM zu erreichen.<br />

– Einkunftsartbezogene Steuerfreibeträge (wie der Sparerfreibetrag<br />

und der Versorgungsfreibetrag) müßten<br />

in vollem Umfang gestrichen und steuerliche Sonderbehandlungen<br />

einzelner Einkunftsarten (zum Beispiel<br />

der aus Gewerbebetrieb oder aus Land- und Forstwirtschaft)<br />

sollten aufgehoben werden.<br />

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode Drucksache 14/73<br />

– Die Einkommensteuer setzt bei der Einkommensentstehung<br />

an; die Art der Einkommensverwendung<br />

sollte dagegen für die Höhe der Steuer irrelevant sein.<br />

Insoweit ist es richtig, die wirtschaftspolitisch motivierte<br />

Förderung nicht über das Einkommensteuerrecht<br />

und schon gar nicht in der Form der Abzüge bei<br />

der Ermittlung der Bemessungsgrundlage (Sonderabschreibungen)<br />

zu betreiben. Wenn es in Zukunft Anlaß<br />

für solche Förderungen geben sollte, könnte man<br />

zum Instrument der Investitionszulagen greifen. Das<br />

würde im übrigen auch der Forderung nach mehr<br />

Budgetklarheit entsprechen.<br />

378. Die von der Bundesregierung geplanten Einschränkungen<br />

des Verlustausgleichs halten wir für bedenklich.<br />

Eine am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Besteuerung<br />

muß Gewinne und Verluste einer Periode bei der<br />

Festsetzung der Steuern gleichermaßen berücksichtigen,<br />

insoweit ist der innerperiodische Verlustausgleich geboten.<br />

Wer die in der Tat hohen, steuerlich geltend gemachten<br />

Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung<br />

beklagt, sollte nicht den Verlustausgleich beschränken,<br />

sondern die Regelungen angehen (zum Beispiel<br />

die Sonderabschreibungen), die zu den hohen Verlusten<br />

bei dieser Einkunftsart führen. Da der Staat am Erfolg<br />

(Gewinn) von Investitionen über die Einkommensteuer<br />

teilnimmt, spricht vieles dafür, ihn über Verlustausgleich<br />

auch am Risiko zu beteiligen. Insbesondere im Interesse<br />

neugegründeter Unternehmen, die erfahrungsgemäß in der<br />

Anfangsphase ihrer Tätigkeit Verluste machen, ist der unbegrenzte<br />

Verlustvortrag unverzichtbar. Bei bereits etablierten<br />

Unternehmen kann es ebenso Argumente für den<br />

Verlustrücktrag geben, zumal dadurch die steuerliche<br />

Entlastung zeitlich früher zu verwirklichen ist; hier gehen<br />

die Pläne der Bundesregierung in die falsche Richtung.<br />

In Anbetracht des erforderlichen Strukturwandels und<br />

der in Zukunft anstehenden großen Anzahl von Unternehmensübergängen<br />

halten wir auch die Streichung der<br />

Steuerbegünstigung für den Veräußerungsgewinn bei<br />

Betriebsaufgabe für kontraproduktiv. Zumindest die dadurch<br />

entstehenden Progressionseffekte sollten durch<br />

großzügige Übertragung der Einkünfte auf zukünftige<br />

oder <strong>zur</strong>ückliegende Perioden – in Analogie zum Verlustübertrag<br />

– verringert werden.<br />

379. Würde man beim Abbau der Steuervergünstigungen<br />

wirklich konsequent vorgehen, dann würde sich ein<br />

wesentlich höheres Mehraufkommen als 42 Mrd DM erzielen<br />

lassen. Infolgedessen könnte auch die Tarifreform<br />

mutiger angegangen werden. Zudem würde sich dann die<br />

Einführung einer Mindestbesteuerung erübrigen, wie sie<br />

die Bundesregierung nunmehr plant: Der Verlustausgleich<br />

zwischen den einzelnen Einkunftsarten soll begrenzt werden.<br />

Da Verluste aus Gewerbetätigkeit ausdrücklich ausgenommen<br />

sein sollen, läuft die „Mindestbesteuerung“ im<br />

wesentlichen auf eine Sonderregelung für Einkünfte aus<br />

Vermietung und Verpachtung hinaus, stellt also einen<br />

weiteren Verstoß gegen die steuerliche Gleichbehandlung<br />

dar. Sie würde im übrigen das Besteuerungsverfahren nur<br />

noch schwieriger machen. Nach der jüngsten Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichtes zum Verlustausgleich<br />

ist ein nach der Einkunftsart differenzierender<br />

Verlustausgleich wohl gar nicht zulässig.<br />

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