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Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/73 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

der Unternehmen. In dem Maße, in dem die Abwertung<br />

auf die Auslandspreise durchwirkt, resultiert<br />

daraus ein Stabilitätsimport für die anderen Regionen.<br />

Eine Betrachtung der Regionalstruktur der<br />

deutschen Importe für das Jahr <strong>1<strong>99</strong>8</strong> läßt erkennen,<br />

daß infolge der Finanzmarktturbulenzen leichte Verschiebungen<br />

zu Gunsten der von den Finanzkrisen<br />

betroffenen Regionen stattgefunden haben, eine<br />

deutliche Importflut aus diesen Regionen ist aber<br />

bislang noch nicht zu verzeichnen gewesen.<br />

– Soweit die Exporteure aus Ostasien wechselkursbedingt<br />

an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gewonnen<br />

haben, wirkt sich dies auch auf den deutschen Export<br />

in Drittlandmärkte aus. Bei einzelnen Industriebranchen<br />

machte sich die Preiskonkurrenz ostasiatischer<br />

Anbieter bereits bemerkbar, von der<br />

Tendenz wird sie im nächsten Jahr eher noch zunehmen.<br />

Diese über Drittlandmärkte ablaufenden<br />

Beeinträchtigungen der deutschen Exporte sind gewichtiger<br />

einzustufen als die direkten Effekte der<br />

Abwertungen.<br />

– Die Finanzmarktkrise in Ostasien hat wegen des<br />

Nachfrageausfalls aus den Krisenländern zu einem<br />

deutlichen Rückgang der Rohstoffpreise geführt und<br />

somit die konjunkturelle Aufwärtsbewegung in<br />

Deutschland über die Reduzierung von Produktionskosten<br />

unterstützt. Weltweit kommt diese Rohstoffpreisbaisse<br />

der Geldwertstabilität zugute.<br />

Über den Kapitalverkehr existieren Auswirkungen in<br />

mehrfacher Hinsicht:<br />

– Durch die massive Verunsicherung der Anleger über<br />

die weiteren realwirtschaftlichen Auswirkungen der<br />

Finanzmarktturbulenzen ist es zu einer weltweiten<br />

Fluchtbewegung aus Risikokapital hin zu sicheren<br />

Anlagen gekommen. Die Folge waren Kursverluste<br />

an den Aktienmärkten und Kurssteigerungen an den<br />

Märkten für festverzinsliche Wertpapiere in den von<br />

den Krisen nicht betroffenen Ländern. Sofern die<br />

Kursverluste aus Aktienverkäufen die Kursgewinne<br />

bei festverzinslichen Wertpapieren überwiegen, tritt<br />

ein negativer Vermögenseffekt auf, der die Inlandsnachfrage<br />

in den Industrieländern beeinträchtigen<br />

kann. Zu einem weiteren Absinken der Aktienkurse<br />

in den „sicheren Häfen“ könnte es kommen,<br />

wenn sich die Finanzkrisen ausweiten und die Gewinnaussichten<br />

für Unternehmen in diesen Regionen<br />

deutlich nach unten korrigiert werden müssen. Anleger<br />

könnten dann zum Ausgleich ihrer Verluste<br />

auch Aktien in den Industrieländern verkaufen und<br />

damit zu einem Kursverfall beitragen. Allerdings variieren<br />

die Bedeutung des Aktienvermögens und<br />

damit die Vermögenseffekte von Land zu Land.<br />

– Weltweite Umschichtungen beim Kapitalverkehr,<br />

ausgelöst durch einen geringeren Kapitalexport in<br />

die Entwicklungs- und Schwellenländer, üben einen<br />

dämpfenden Effekt auf das Zinsniveau auch in den<br />

Industrieländern aus. Dies hat insoweit dazu beigetragen,<br />

das Investitionsklima zu verbessern und die<br />

konjunkturelle Aufwärtsbewegung in Deutschland<br />

zu unterstützen.<br />

54<br />

– Infolge der in großem Umfang notleidend gewordenen<br />

Kredite an die Unternehmen und Banken in<br />

Ostasien hat sich ein großer Wertberichtungsbedarf<br />

für die westlichen Gläubigerbanken ergeben. Grundsätzlich<br />

könnte daraus eine Verknappung des Kreditangebots<br />

in den Industrieländern resultieren mit<br />

der Folge einer Dämpfung der Investitionstätigkeit.<br />

Für die in den Krisenregionen involvierten deutschen<br />

Großbanken stellte sich dies bislang nicht ein.<br />

Im Zusammenhang mit der politischen Krise in<br />

Rußland und ihrer ökonomischen Auswirkungen auf<br />

Deutschland ist von Relevanz, daß der Bund mit<br />

Hermes-Bürgschaften und Staatskrediten involviert<br />

ist. Daß über die öffentlichen Haushalte die konjunkturelle<br />

Aufwärtsbewegung gedämpft wird, ist<br />

nicht auszuschließen: Haushaltsrisiken können entstehen,<br />

das Fälligwerden von Bürgschaften kann die<br />

Ausgaben erhöhen, die Steuereinnahmen können<br />

aufgrund der von den Finanzmarktturbulenzen verursachten<br />

Gewinneinbußen bei deutschen Unternehmen<br />

<strong>zur</strong>ückgehen, der finanzpolitische Spielraum<br />

für Steuersenkungen wird geschmälert.<br />

Schließlich sind über Direktinvestitionen Wirkungsverflechtungen<br />

zu beachten:<br />

– Deutsche Unternehmen, die Direktinvestitionen in<br />

den betroffenen Regionen, insbesondere in den Ländern<br />

Ostasiens, <strong>zur</strong> Markterschließung getätigt haben,<br />

können durch die Abwertung der Währungen<br />

eine Gewinnminderung erfahren. Vom gesamten<br />

Bestand an deutschen Direktinvestitionen im Ausland<br />

entfielen im Jahre 1<strong>99</strong>6 allerdings nur 2,4 vH<br />

auf die Länder in Ostasien, so daß dieser Effekt<br />

nicht sehr stark ins Gewicht fallen dürfte. Im ersten<br />

Halbjahr <strong>1<strong>99</strong>8</strong> lag der Anteil aller deutschen Direktinvestitionen<br />

in Europa bei knapp 74 vH, auf die<br />

Transformationsländer entfielen 9 vH. Von daher<br />

wäre der kontraktive Effekt aus der Region Mittelund<br />

Osteuropa für Deutschland wirksamer, wenn<br />

diese Region infolge der Finanzmarktkrisen noch<br />

stärker betroffen würde.<br />

– Bei denjenigen Direktinvestitionen, die im Zuge der<br />

Aufteilung der Wertschöpfungskette <strong>zur</strong> Einbindung<br />

kostengünstiger Standorte durchgeführt wurden,<br />

kommt es aufgrund der Abwertung zu einer Kostenentlastung<br />

bei den Unternehmen. Neben diesen<br />

auf den Bestand an Direktinvestitionen bezogenen<br />

Wirkungen besteht nach Abwertungen und den Reaktionen<br />

an den Börsen auch ein starker Anreiz zu<br />

mehr Direktinvestitionen deutscher Unternehmen.<br />

Die Wirksamkeit dieses zuletzt beschriebenen Effekts<br />

hängt allerdings davon ab, ob in der Einschätzung<br />

der Investoren die Entwicklung in den betroffenen<br />

Regionen ihren Tiefpunkt erreicht hat und ob<br />

auf mittlere Sicht die Wachstumsmöglichkeiten der<br />

Region unverändert günstig eingeschätzt werden.<br />

Faßt man alle Aspekte zusammen, so halten sich die<br />

denkbaren Beeinträchtigungen aus den Finanzkrisen<br />

für die deutsche Volkswirtschaft in Grenzen. Eine<br />

nachhaltige Störung der konjunkturellen Aufwärtsbewegung<br />

in Deutschland ist derzeit nicht angelegt.

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