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Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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gesichert sein sollten. Dadurch würde eine bestimmte Realverzinsung<br />

garantiert. In Deutschland waren bisher Indexklauseln<br />

aller Art, und damit auch solche in Kapitalschuldverhältnissen,<br />

grundsätzlich genehmigungspflichtig (gemäß § 3 Währungsgesetz).<br />

Mittlerweile steht fest, daß die deutsche Regelung europaweit<br />

nicht konsensfähig ist. Mit dem Euro-Einführungsgesetz<br />

wurde das Indexierungsverbot für den Geld- und Kapitalverkehr<br />

aufgehoben. Hätte man hierzulande auf der alten Regelung<br />

bestanden, so würde dies Kapitalanleger, die Inflationsänderungsrisiken<br />

möglichst klein halten wollen, ermuntern, auf<br />

andere Märkte innerhalb und außerhalb des Euro-Währungsraums<br />

auszuweichen. Benachteiligt würde letztlich der deutsche<br />

Fiskus: Er müßte höhere Zinsen für seine Neuemissionen<br />

bieten und damit höhere Haushaltsbelastungen in Kauf nehmen.<br />

So gesehen ist es richtig, daß für den Geld- und Kapitalverkehr<br />

dieses Verbot aufgehoben worden ist.<br />

259. Während die Konvergenz bei den langfristigen<br />

Zinssätzen im Referenzjahr weitgehend erfüllt war, gab<br />

es im Jahre <strong>1<strong>99</strong>8</strong> bei den kurzfristigen Zinsen noch stärkere<br />

Unterschiede zwischen den designierten Teilnehmerländern<br />

der Währungsunion. So hatte die irische<br />

Zentralbank, deren Satz für Notenbankkredite zu Jahresbeginn<br />

um mehr als drei Prozentpunkte über dem Wertpapierpensionssatz<br />

der Deutschen Bundesbank lag, Anfang<br />

Mai den Refinanzierungssatz sogar zunächst noch<br />

einmal erhöht, um konjunkturellen Überhitzungserscheinungen<br />

vorzubeugen. Auch in Ländern, in denen bereits<br />

seit längerem Leitzinssenkungen vorgenommen wurden<br />

– wie in Italien, Portugal und Spanien –, waren die Notenbankzinsen<br />

bis in den Herbst hinein noch teilweise<br />

deutlich höher als in Belgien, Frankreich, Deutschland,<br />

den Niederlanden und Österreich. Während an den Kapitalmärkten<br />

im Vorfeld der Währungsunion im wesentlichen<br />

nur noch Bonitätsunterschiede zwischen Emittenten<br />

für Zinsdifferenzen sorgen können, sind für die<br />

Bestimmung der kurzfristigen Zinssätze zu einem Großteil<br />

die Refinanzierungssätze der Zentralbanken maßgeblich.<br />

Die Notenbankzinsen sind bisher mit Rücksicht<br />

auf die divergierenden Konjunkturentwicklungen in den<br />

Teilnehmerländern noch nicht vereinheitlicht worden: So<br />

sind etwa Irland und Spanien im Konjunkturzyklus bereits<br />

weiter vorangeschritten, was den Zentralbanken<br />

dort eine raschere Reduktion ihrer Refinanzierungssätze<br />

erschwerte.<br />

260. Die Europäische Zentralbank steht in der Anfangsphase<br />

der Währungsunion bei der Ausgestaltung<br />

der operativen Geldpolitik insbesondere vor zwei großen<br />

Herausforderungen: Zum einen werden in der Europäischen<br />

Währungsunion Teilnehmerländer mit unterschiedlichen<br />

Produktionsstrukturen, Finanzsektoren,<br />

Steuersystemen, Staatsquoten und Marktregulierungen<br />

zu einem Währungsgebiet zusammengefügt. Je nach dem<br />

wie deutlich diese Unterschiede ausgeprägt sind, können<br />

sich Zinsänderungen der Europäischen Zentralbank in<br />

unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit auf die<br />

ökonomische Aktivität in den Ländern der Währungsunion<br />

auswirken (Ziffern 261 ff.).<br />

Zum anderen läßt sich die Geldpolitik in einem einheitlichen<br />

Währungsraum nicht regional differenzieren. Die<br />

Europäische Zentralbank kann nur einen für das gesamte<br />

Währungsgebiet einheitlichen Zinssatz für die Bereitstellung<br />

von Zentralbankgeld wählen; andernfalls wür-<br />

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode Drucksache 14/73<br />

den Abweichungen in den Zinsniveaus durch die bei<br />

freiem Kapitalverkehr sofort einsetzenden Arbitragetransaktionen<br />

eingeebnet werden. Unterschiedlichen<br />

Konjunkturlagen in verschiedenen Teilgebieten der<br />

Währungsunion kann und soll die Zentralbank daher<br />

nicht Rechnung tragen. Es ergeben sich in den Mitgliedstaaten<br />

mehr oder weniger starke Anpassungserfordernisse<br />

für die übrigen Politikbereiche, je nachdem,<br />

wie synchron die Konjunkturzyklen verlaufen (Ziffern<br />

266 ff.).<br />

Transmissionskanäle der gemeinsamen Geldpolitik<br />

261. Als unmittelbares Instrument der Geldpolitik steht<br />

der Europäischen Zentralbank der Zinssatz für die Vergabe<br />

von Zentralbankgeldkrediten <strong>zur</strong> Verfügung, hinter<br />

dem andere mögliche Instrumente wie etwa Devisenmarktinterventionen<br />

oder die Veränderung der Mindestreservesätze<br />

weit <strong>zur</strong>ückstehen werden (Kasten 6, Seite<br />

183). Zinspolitische Maßnahmen haben eine Vielfalt<br />

von Wirkungen im Finanzsektor wie auch kurzfristig<br />

realwirtschaftliche Anpassungen <strong>zur</strong> Folge. Diese Wirkungen<br />

einer Zinsänderung in einer Volkswirtschaft –<br />

die Transmission des geldpolitischen Impulses – sind<br />

sehr komplex. Trotz intensiver theoretischer Forschung<br />

und zahlreicher empirischer Untersuchungen auf diesem<br />

Gebiet sind die Übertragungsmechanismen der Geldpolitik<br />

noch nicht ausreichend geklärt. Wenngleich grundsätzlich<br />

verschiedene Wirkungskanäle bekannt sind, so<br />

ist es dennoch eine schwierige Aufgabe, die jeweilige<br />

Bedeutung einzelner Wirkungsweisen zuverlässig zu ermitteln.<br />

Unter diesem Vorbehalt stehen auch unsere folgenden<br />

Überlegungen zu den drei herkömmlichen Wirkungskanälen:<br />

dem Zinsmechanismus, dem Kreditmechanismus<br />

und dem Wechselkursmechanismus.<br />

262. Beim Zinsmechanismus bewirkt eine Anhebung<br />

des Refinanzierungszinssatzes durch die Zentralbank eine<br />

Erhöhung der Kapitalmarktzinsen und führt so zu einem<br />

Anstieg der Kapitalkosten, was die Investitionstätigkeit<br />

dämpfen kann, je nach Abhängigkeit der Zinselastizität<br />

der Investitionen. Bei einer Leitzinssenkung<br />

gilt im Prinzip das Umgekehrte. Je höher die Bedeutung<br />

der Investitionstätigkeit in einem Land ausfällt, um so<br />

stärker könnten Zinsänderungen auf die gesamtwirtschaftliche<br />

Aktivität durchwirken.<br />

Betrachtet man die künftigen Teilnehmerländer an der<br />

Europäischen Währungsunion nach der unterschiedlichen<br />

Bedeutung der Investitionsnachfrage, so zeigt sich,<br />

daß die Anteile am Bruttoinlandsprodukt mit einer<br />

Bandbreite von knapp 17 vH bis 26 vH deutlich differieren<br />

(Tabelle 68, Seite 168). Ein relativ hohes Gewicht<br />

besaß sie im Jahre 1<strong>99</strong>7 in Österreich und Portugal, wo<br />

Zinsimpulse, bei gegebener Zinselastizität der Investitionstätigkeit,<br />

eine entsprechend stärkere Wirkung auf<br />

die gesamtwirtschaftliche Aktivität als in anderen Ländern<br />

entfalten könnten.<br />

Von der Entstehungsseite des Bruttoinlandsprodukts und<br />

unter Vernachlässigung der Handelsbeziehungen zu<br />

Ländern außerhalb der Währungsunion betrachtet, dürften<br />

Zinsänderungen insbesondere in solchen Regionen<br />

reale Effekte haben, deren Wertschöpfung in hohem<br />

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