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Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/73 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

Ökosteuer ins Ausland ausweichen, der international<br />

immobile Faktor Arbeit trägt dann verstärkt die Last<br />

einer Ökosteuer, da mit der Abwanderung von Kapital<br />

die Arbeitsproduktivität sinkt. Diesem Effekt auf die<br />

Produktivität des Kapitals ist entgegenzustellen, daß<br />

durch die Entlastung des Faktors Arbeit Investitionen<br />

attraktiver werden und von daher die Kapitalbildung<br />

angeregt wird. Soll die Wirkung auf die Kapitalproduktivität<br />

per Saldo positiv sein, so dürfte die Kapitalproduktivität<br />

– in negativer Richtung – nicht stärker<br />

von der (verteuerten) Energie beeinflußt werden als<br />

– in positiver Richtung – von der (verbilligten) Arbeit,<br />

sonst ist mit einem insgesamt negativen Effekt auf die<br />

Kapitalbildung zu rechnen.<br />

– Die gegenläufigen Effekte werden auch deutlich,<br />

wenn man den sektoralen Strukturwandel betrachtet,<br />

der von einer Ökosteuer in Gang gesetzt wird (Sektorstruktureffekt).<br />

Zwar wirkt sich positiv auf die Beschäftigung<br />

aus, daß die weniger emissionsintensiv<br />

produzierenden Sektoren expandieren. Diese Argumentation<br />

darf aber die Kosten der Umweltpolitik<br />

nicht verdrängen. Denn umweltintensive und energieintensive<br />

Produktionen werden teurer, in diesen Bereichen<br />

verschlechtert sich vor allem bei einem nationalen<br />

Alleingang der Umweltpolitik die Wettbewerbsfähigkeit,<br />

da nicht davon auszugehen ist, daß bei den<br />

international handelbaren Gütern die höheren Kosten<br />

leicht auf die Abnehmer überwälzt werden können.<br />

Emissionsintensive Wirtschaftszweige wie die Stahlindustrie,<br />

die NE-Metallerzeugung, die Zementindustrie<br />

und auch die Chemische Industrie werden in dem<br />

durch die Ökosteuer initiierten sektoralen Strukturwandel<br />

<strong>zur</strong>ückgedrängt, teilweise müssen ihre Aktivitäten<br />

schrumpfen oder abwandern, wenn anderweitig<br />

eine Anpassung an die höheren Umwelt- und<br />

Energiekosten nicht gelingt. Aber auch für die eher<br />

durchschnittlich emissionsintensiven Sektoren der Industrie<br />

und damit der Exportwirtschaft ist der Preisüberwälzungsspielraum<br />

durch den internationalen<br />

Wettbewerb eng. Da Energie ein Basisproduktionsfaktor<br />

für viele Sektoren der deutschen Volkswirtschaft<br />

ist und da der Energiepreis – wie bei Autos –<br />

auch über die Attraktivität der Erzeugnisse aus der<br />

Sicht der Konsumenten entscheidet, wirkt eine Energieverteuerung<br />

in der Breite auf die Angebotsseite der<br />

deutschen Volkswirtschaft durch. Dieser belastende<br />

Effekt auf die produzierende Wirtschaft ist von besonderer<br />

Bedeutung für Ostdeutschland, wo sich mit<br />

hohen Zuwachsraten auch energieintensiver Sektoren<br />

wie der Metallerzeugung und -bearbeitung sowie der<br />

Chemischen Industrie ein Aufbau einer Exportbasis<br />

abzuzeichnen scheint und wo die Energiekosten, ein<br />

wichtiger Faktor bei noch dringend benötigten Ansiedlungen,<br />

ohnehin schon höher liegen als in Westdeutschland.<br />

Indem der Staat Arbeit verbilligt, kann er die<br />

Wettbewerbsnachteile durch die Energieverteuerung<br />

– wenn die Aufkommensneutralität beachtet wird –<br />

allenfalls begrenzt ausgleichen, auf keinen Fall aber<br />

die Kostensteigerungen für die besonders energieintensiven<br />

Sektoren kompensieren; hier ist eindeutig<br />

mit einem Beschäftigungsabbau zu rechnen, es sei<br />

272<br />

denn, diese Branchen werden von der Ökosteuer ausgenommen.<br />

Diesem möglichen negativen Effekt in<br />

den emissionsintensiven Bereichen ist die zusätzliche<br />

Beschäftigung in den emissionsfreundlichen Sektoren<br />

entgegenzustellen. Bei einer mangelnden Flexibilität<br />

der Arbeitsmärkte vollzieht sich der sektorale Strukturwandel<br />

verzögert und verzerrt; die negative Beschäftigungswirkung<br />

dürfte dann größer ausfallen. Im<br />

übrigen wird bei der Analyse der sektoralen Effekte<br />

deutlich, daß eine Ökosteuer nicht in jedem Fall Verzerrungen<br />

abbaut, was aus allokationstheoretischer<br />

Sicht die Voraussetzung für die zweite Dividende ist.<br />

Sie kann auch mit neuen Verzerrungen beispielsweise<br />

zwischen Sektoren verbunden sein, und zwar dann,<br />

wenn nicht schlüssig an der Ursache des Klimaproblems,<br />

am Kohlendioxid, angesetzt wird.<br />

490. Eine entscheidende Frage für die erhoffte positive<br />

Wirkung einer Ökosteuer auf die Beschäftigung ist, ob<br />

über die Senkung der Lohnnebenkosten die Arbeitskosten<br />

für die Unternehmen – der Produzentenlohn – im<br />

Ergebnis <strong>zur</strong>ückgehen wird. Dies hängt entscheidend<br />

von der Strategie der Gewerkschaften ab. Wenn die Tarifvertragsparteien<br />

die durch den Staat finanzierte Reduktion<br />

der Arbeitskosten als Spielraum für Lohnerhöhungen<br />

verwenden, käme keine Senkung des Produzentenlohns<br />

zustande; dann würde die Nachfrage nach Arbeitskräften<br />

nicht zunehmen; die Übernahme der Lohnnebenkosten<br />

durch den Staat bliebe in Bezug auf die Beschäftigung<br />

wirkungslos. Der negative Produktionseffekt<br />

würde dann wohl dominieren. Aber selbst wenn die Arbeitskosten<br />

reduziert werden, müßte dies – um insgesamt<br />

positive Beschäftigungseffekte sicherzustellen – in einem<br />

solchen Ausmaß geschehen, daß gesamtwirtschaftlich<br />

die negativen Wirkungen auf die Beschäftigung aus<br />

der Verteuerung von Umwelt oder Energie überkompensiert<br />

werden.<br />

Bei der Frage, ob der Produzentenlohn effektiv sinken<br />

wird, ist zu berücksichtigen, daß die bessere Umweltqualität<br />

– für sich betrachtet bei unveränderter Beschäftigung<br />

– ein geringeres Einkommen bedeutet, jedenfalls<br />

in einem traditionellen Sinn, wenn die Umweltqualität,<br />

wie üblich, nicht in das Einkommen eingerechnet<br />

wird. Dies folgt daraus, daß mit den von der<br />

Ökosteuer belegten Produktionsfaktoren Umwelt oder<br />

Energie ein geringeres Produktionsergebnis erstellt wird.<br />

Von daher ist der Entlohnungsspielraum für die anderen<br />

Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ungünstiger. Die<br />

Haushalte, auch die Arbeitnehmer, spüren das geringere<br />

Realeinkommen dadurch, daß der Konsum mit einer höheren<br />

Ökosteuer belastet wird, daß Verkehrsleistungen<br />

teurer werden und daß bei Überwälzung der Ökosteuer<br />

diese von den Konsumenten getragen werden muß. Den<br />

Einkommensverzicht, den eine bessere Umweltqualität<br />

in aller Regel bedingt, muß die Lohnpolitik mittragen;<br />

tut sie das nicht und verlangt sie eine Kompensation für<br />

die geringeren Realeinkommen der Arbeitnehmer, so<br />

kommen von daher keine positiven Wirkungen auf die<br />

Beschäftigung zustande.<br />

491. Die erörterten Beschäftigungseffekte hängen in<br />

einer offenen Volkswirtschaft, wie bereits angedeutet,<br />

auch davon ab, ob ein Land die Ökosteuer im Alleingang

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