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Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 14/73 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

Rußland: Scheitert der Transformationsprozeß?<br />

49. In diesem Jahr geriet Rußland in eine schwere<br />

Finanzkrise, nachdem die heimische Währung unter<br />

starken Abwertungsdruck geraten war. Zwar konnte der<br />

Wechselkurs zum US-Dollar im Bereich der offiziellen<br />

Bandbreite (5,25 bis 7,25 Rubel pro US-Dollar) zunächst<br />

vor allem mittels starker Zinserhöhungen (auf zeitweise<br />

über 100 %) verteidigt werden. Doch nach dem Zusammenbruch<br />

des Marktes für Staatsanleihen im Juli sowie<br />

den Abstimmungsproblemen mit dem Internationalen<br />

Währungsfonds über die Höhe von Beistandskrediten<br />

und die dazu von der Regierung zu erfüllenden wirtschaftspolitischen<br />

Bedingungen schwand das Vertrauen<br />

der Anleger angesichts der besorgniserregenden innenpolitischen<br />

Labilität endgültig, es kam zu Kapitalflucht<br />

aus dem Land. Schließlich wurde der Druck auf den<br />

Rubel so stark, daß Mitte August das Wechselkursband<br />

zunächst nach oben verschoben, dann erweitert und<br />

schließlich der Rubel freigegeben werden mußte. Außerdem<br />

verkündete die Regierung einseitig ein neunzigtägiges<br />

Moratorium auf einen Teil der ausländischen Schulden<br />

und verfügte, daß kurzlaufende Staatsanleihen<br />

zwangsweise in längerfristige Papiere umzutauschen<br />

seien. Es kam zu Bankenfusionen und zu einer Vertrauenskrise,<br />

der der Abzug von Spargeldern folgte. Angesichts<br />

der schweren Bankenkrise wurden die Einlagen<br />

der Bevölkerung bei sechs großen Privatbanken vorübergehend<br />

eingefroren. Um den Währungsverfall in<br />

Grenzen zu halten, wurden darüber hinaus Devisenkontrollen<br />

eingeführt. Dies kam einem Eingeständnis der<br />

Zahlungsunfähigkeit gleich.<br />

50. Im Jahre <strong>1<strong>99</strong>8</strong> zeigten sich in Rußland gravierende<br />

realwirtschaftliche Auswirkungen der Krise. Das Brut-<br />

Tabelle 7<br />

24<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

(real)<br />

Verbraucherpreise<br />

Wirtschaftsdaten für Rußland<br />

Arbeitslosenquote<br />

2)<br />

vH 1)<br />

Finanzierungssaldo<br />

des<br />

Staatshaushalts<br />

3)<br />

toinlandsprodukt schrumpfte um 3 vH gegenüber<br />

dem Vorjahr (Tabelle 7). Die Binnenwirtschaft neigte<br />

deutlich <strong>zur</strong> Schwäche: Den Privaten Verbrauch dämpften<br />

abwertungsbedingt stark erhöhte Preissteigerungen<br />

um etwa 70 vH gegenüber dem Vorjahr. Angesichts<br />

seiner desolaten Finanzlage war der Staat nicht in der<br />

Lage, Löhne und Gehälter zu zahlen, wichtige Infrastrukturprojekte<br />

durchzuführen sowie seine Verbindlichkeiten<br />

zu bedienen. Das Investitionsklima trübte sich<br />

stark ein, und ausländische Investoren zogen in hohem<br />

Maße Anlagen aus Rußland ab, was die Zinsen für russische<br />

Staatsanleihen erhöhte und den Handlungsspielraum<br />

der Regierung zusätzlich einschränkte. Die Exportentwicklung<br />

wurde durch die Abwertung nicht belebt,<br />

da es im Zuge der Asien-Krise zu einem Preisverfall<br />

auf den für die russischen Exporte wichtigen internationalen<br />

Rohstoffmärkten gekommen war.<br />

51. Im Rahmen des Transformationsprozesses war es<br />

in Rußland im vergangenen Jahr gelungen, die lange<br />

Phase schrumpfender Produktion zu überwinden; die<br />

Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts war positiv.<br />

Stabilisierend wirkten die Währungsreform im Jahre<br />

1<strong>99</strong>5 und die Bindung des russischen Rubel an den<br />

US-Dollar. Daß sich die Finanzkrise in Rußland in ihren<br />

Ursachen von denen in der Vergangenheit (JG 83 Ziffern<br />

12 ff.) abhebt, wird deutlich, wenn man berücksichtigt,<br />

daß im Jahre 1<strong>99</strong>7 die Relation der Auslandsschulden<br />

zum nominalen Bruttoinlandsprodukt mit etwa<br />

27 vH gering und die Leistungsbilanz stets positiv waren.<br />

Im Gegensatz zu den asiatischen Volkswirtschaften<br />

war die Bedeutung des Bankensektors bei der Kreditversorgung<br />

eher klein. Die der russischen Krise zugrundeliegenden<br />

Faktoren sind in besonderem Maße auf ord-<br />

Leistungsbilanzsaldo<br />

3)<br />

Warenausfuhr<br />

Realer<br />

Außenwert<br />

gegenüber dem<br />

US-Dollar 4)<br />

Deutsche<br />

Exporte 5)<br />

1<strong>99</strong>2 –14,5 1 526,0 4,8 –21,6 . . 18,9 0,9<br />

1<strong>99</strong>3 –08,7 874,6 5,6 –07,2 . 5,4 40,0 1,8<br />

1<strong>99</strong>4 –12,7 307,4 7,5 –11,4 3,3 52,5 71,9 1,6<br />

1<strong>99</strong>5 –04,0 197,4 8,9 –05,4 2,3 20,1 100,0 1,4<br />

1<strong>99</strong>6 –02,8 47,6 9,3 –08,0 2,8 9,9 127,7 1,5<br />

1<strong>99</strong>7 0,4 a) 14,6 9,3 –07,5 0,7 –02,0 126,5 1,9<br />

<strong>1<strong>99</strong>8</strong> 6) –03,0 70,0 10,0 –09,0 0,0 ... ... 1½<br />

1) Soweit nicht anders definiert: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in vH.<br />

2) Anteil der Arbeitslosen (gemäß Definition der ILO) an den gesamten Erwerbspersonen in vH.<br />

3) In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt in vH.<br />

4) Auf Basis der Verbraucherpreise. 1<strong>99</strong>5 = 100.<br />

5) Anteil an der Gesamtausfuhr Deutschlands (Spezialhandel) in vH. 1<strong>99</strong>7 vorläufiges Ergebnis.<br />

6) Eigene Schätzung aufgrund von Angaben internationaler und nationaler Institutionen.<br />

a) Nachrichtlich: Bruttosozialprodukt pro Kopf 2 740 US-Dollar.<br />

Quellen: IWF, OECD, Weltbank und nationale Veröffentlichungen

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