Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
gen und Privatisierungen ist es unvermeidlich, daß die<br />
Unternehmen, die sich im Wettbewerb nicht behaupten<br />
können, auch wieder ausscheiden. Es ist bekannt und<br />
auch leicht zu erklären, daß junge Unternehmen gerade<br />
in den ersten Jahren nach ihrer Gründung schweren<br />
Bewährungsproben ausgesetzt sind, die viele nicht<br />
bestehen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß einer<br />
Periode, in der sich Neugründungen häufen, mit zeitlicher<br />
Verzögerung auch zahlreiche Schließungen folgen<br />
werden. Dem durch Subventionen entgegenwirken zu<br />
wollen, wäre ein verfehlter Ansatz. Unternehmen, die<br />
auf die Dauer nicht aus eigener Kraft lebensfähig sind,<br />
stellen für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region<br />
nur eine Belastung dar; dem Ziel, gegenüber anderen<br />
Regionen aufzuholen, sind sie gewiß nicht förderlich.<br />
Wesentlich für die wirtschaftliche Zukunft ist nicht, daß<br />
möglichst viele der bestehenden Unternehmen um jeden<br />
Preis erhalten werden, sondern daß genügend neue entstehen.<br />
Dies mag den Gedanken nahelegen, die Förderung<br />
auf neugegründete Unternehmen zu konzentrieren,<br />
wobei jedoch Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der<br />
bereits bestehenden zu vermeiden sind. Finanzierungshilfen<br />
an Unternehmensgründer, wie sie im Rahmen von<br />
Eigenkapitalhilfe- und Existenzgründungsprogrammen<br />
gewährt werden, lassen sich unter dem Gesichtspunkt<br />
rechtfertigen, daß die Kapitalbeschaffung über den<br />
Markt hier auf besondere Schwierigkeiten stößt; zudem<br />
sind in den Finanzierungshilfen nur in geringem Umfang<br />
Subventionen enthalten. Dies ist keine Besonderheit der<br />
neuen Bundesländer; mit den gleichen Argumenten kann<br />
diese Form der Förderung auch in Westdeutschland<br />
begründet werden, doch kommt ihr in den neuen Bundesländern<br />
weit größere Bedeutung zu. Wünschenswert<br />
wäre es, die Vielfalt der Programme zu vereinfachen und<br />
mehr Transparenz herzustellen. Auf die Dauer sollten<br />
allerdings Bemühungen um verbesserte Funktionsvoraussetzungen<br />
für Finanzmärkte Vorrang vor der direkten<br />
staatlichen Unternehmensförderung haben.<br />
359. Die Lohnpolitik hat für die wirtschaftliche Entwicklung<br />
und den Aufbau von Beschäftigung in den<br />
neuen Bundesländern nach wie vor eine Schlüsselfunktion.<br />
Die Fehler, die in den Anfangsjahren gemacht wurden<br />
und die den ostdeutschen Unternehmen erhebliche<br />
Wettbewerbsnachteile eingetragen haben, können nicht<br />
auf Dauer durch staatliche Förderung ausgeglichen werden.<br />
Die Angleichungsstrategie aufzugeben ist heute<br />
dringend geboten, aber angesichts des bereits erreichten<br />
Lohnniveaus nicht ausreichend. Ergänzend sollten darüber<br />
hinaus mindestens durch Vereinbarung von wirksamen<br />
Öffnungsklauseln Regelungen auf betrieblicher<br />
Ebene ermöglicht werden, die es zulassen, sich auf<br />
Arbeitsentgelte (unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen)<br />
zu einigen, die den besonderen Verhältnissen<br />
des jeweiligen Unternehmens gerecht werden. Die stark<br />
durch Einflußnahme westdeutscher Verbandsvertreter<br />
geprägte und insgesamt verfehlte Tarifpolitik hat <strong>zur</strong><br />
Folge gehabt, daß viele Unternehmen in den neuen Bundesländern<br />
dem Tarifverband gar nicht mehr angehören<br />
und nicht wenige, die noch Mitglieder sind, sich unter<br />
Duldung durch die Arbeitnehmer über tarifvertragliche<br />
Verpflichtungen hinwegsetzen, eine Entwicklung, die<br />
nicht im Interesse der Tarifvertragsparteien liegen kann.<br />
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode Drucksache 14/73<br />
Man muß darin aber das Korrektiv einer Fehlentwicklung<br />
sehen.<br />
360. Die Besonderheit der aktiven Arbeitsmarktpolitik<br />
in den neuen Bundesländern liegt darin, daß von Anfang<br />
an bis heute das Ziel, möglichst vielen Menschen eine<br />
Alternative <strong>zur</strong> Arbeitslosigkeit in Form subventionierter<br />
Beschäftigung oder der Beteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen<br />
zu ermöglichen, eine maßgebliche Rolle<br />
spielte. Auch dies ist aus der Sichtweise zu erklären, daß<br />
die einmalige Lage außergewöhnliche Maßnahmen erforderte.<br />
Heute muß jedoch auch die Arbeitsmarktpolitik<br />
den Weg <strong>zur</strong>ück <strong>zur</strong> Normalität finden, das heißt, sie<br />
muß sich auf das eigentliche Ziel aktiver Maßnahmen<br />
besinnen, das darin besteht, den Arbeitslosen, und zwar<br />
besonders den Problemgruppen unter ihnen, den Weg ins<br />
normale Arbeitsleben zu erleichtern. Wenn dieses Ziel<br />
im Vordergrund steht, geht es nicht an, Forderungen<br />
nach mehr aktiver Arbeitsmarktpolitik damit zu begründen,<br />
daß die offene Arbeitslosigkeit sonst zu hoch werde.<br />
Vielmehr ist aktive Arbeitsmarktpolitik nur in dem Umfang<br />
zu begründen, wie ein Potential erfolgversprechender<br />
Überleitung in normale Arbeitsverhältnisse besteht.<br />
Hierzu wäre dringend erforderlich, das Informationsdefizit<br />
hinsichtlich des Erfolgs arbeitsmarktpolitischer<br />
Maßnahmen zu beseitigen, das die Beurteilung heute<br />
noch außerordentlich erschwert.<br />
Abgesehen von den Kosten einer aktiven Arbeitsmarktpolitik<br />
sind deren problematische Nebenwirkungen zu<br />
bedenken, insbesondere Verzerrungen des Wettbewerbs<br />
zu Lasten privater Unternehmen, die bis <strong>zur</strong> Verdrängung<br />
privaten Angebots in bestimmten Bereichen gehen<br />
können, das Aufkommen einer Subventionsmentalität,<br />
die sich auf möglichst weitgehende Mitnahme aller Fördermöglichkeiten<br />
richtet, bis hin <strong>zur</strong> Gefahr der Demotivation<br />
der von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen aufgefangenen<br />
Arbeitnehmer bei der Suche nach regulären<br />
Arbeitsplätzen. Die Probleme des Arbeitsmarktes in den<br />
neuen Bundesländern lassen sich nicht lösen, indem man<br />
den Arbeitslosen Ersatzbeschäftigung auf öffentlich subventionierten<br />
Arbeitsplätzen anbietet. Im Sinne der Herstellung<br />
von Normalität muß die aktive Arbeitsmarktpolitik<br />
in den neuen Bundesländern sich auf ihre eigentliche<br />
Aufgabe beschränken. Nur in dem Maße, wie sie<br />
sich als geeignet erweist, Arbeitslosen den Weg zu<br />
regulären Arbeitsverhältnissen zu ebnen, läßt sich ihr<br />
Einsatz rechtfertigen.<br />
361. Der Aufbau in den neuen Bundesländern wird<br />
noch auf längere Zeit durch Transfers aus dem früheren<br />
Bundesgebiet gestützt werden müssen. Die Bundesregierung<br />
hat ihre Bereitschaft dazu in der Koalitionsvereinbarung<br />
bekräftigt; insoweit bleibt es bei der bisherigen<br />
Politik. Die Höhe der Transfers ist zum großen Teil<br />
durch Gesetze festgelegt. Der Länderfinanzausgleich,<br />
einschließlich der Bundesergänzungszuweisungen, ist<br />
bis zum Jahre 2004 gesetzlich geregelt; auf die Geltung<br />
der Regelungen bis zu diesem Zeitpunkt müssen die<br />
neuen Bundesländer vertrauen können. Für die Zeit danach<br />
ist eine daran anschließende Lösung noch zu finden.<br />
Eine wichtige Rolle spielen weiterhin die Leistungen<br />
des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<br />
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die<br />
213