Jahresgutachten 1998/99 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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nungspolitische Versäumnisse während des Transformationsprozesses<br />
<strong>zur</strong>ückzuführen:<br />
– Im Zuge der ersten Privatisierungswelle des Jahres<br />
1<strong>99</strong>4 für große und mittlere Unternehmen wurden<br />
zwar viele der Staatsbetriebe durch die Ausgabe von<br />
Belegschaftsaktien in Privateigentum überführt, was<br />
durch die gestärkte Bindung der Arbeitnehmer an ihren<br />
Betrieb den notwendigen Strukturwandel beeinträchtigte.<br />
In die gleiche Richtung wirkten die rechtlichen<br />
Einschränkungen für Ausländer beim Erwerb<br />
von Unternehmenseigentum. Die im Jahre 1<strong>99</strong>6 in<br />
Kraft gesetzte Privatisierung von kleinen Betrieben<br />
kommt nur langsam in Gang. Eine für die Unternehmen<br />
weiche Budgetrestriktion aufgrund einer nicht<br />
marktgerechten Kreditvergabe der Banken, einer Duldung<br />
von Steuerrückständen durch den Staat und einer<br />
verbreiteten Verzögerung bei Lohnzahlungen der<br />
Unternehmen sowie ein alles in allem wenig intensiver<br />
Wettbewerb übten keinen hinreichenden Anpassungsdruck<br />
auf die Unternehmen aus. Zwar wurde im<br />
Jahre 1<strong>99</strong>1 ein Kartell- und Wettbewerbsgesetz verabschiedet,<br />
welches Monopolaktivitäten und marktbeherrschende<br />
Stellungen regelt, in der Praxis findet es<br />
aber nur selten Anwendung, insbesondere nicht bei<br />
Großunternehmen.<br />
– Das Bankenwesen besteht überwiegend aus Privatbanken,<br />
wird aber von zwei Staatsbanken dominiert.<br />
Seit dem Jahre 1<strong>99</strong>0 können Banken als Aktiengesellschaften<br />
gegründet werden, wobei die Anforderungen<br />
an die Mindestkapitalausstattung zunächst sehr niedrig<br />
waren. Es kam zu einem Gründungsboom im Bankensektor,<br />
dem im Jahre 1<strong>99</strong>5 eine Bankenkrise folgte.<br />
Der Prozeß der Disinflationierung hatte zu hohen<br />
Realzinsen geführt und damit mehrere Banken in<br />
wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Problematisch<br />
ist, daß es in Rußland kein Einlagensicherungssystem<br />
gibt, was allgemein das Risiko des Haltens<br />
von Bankguthaben erhöht, und daß für ausländische<br />
Banken Marktzutrittsschranken bestehen. Es lohnte<br />
sich für Banken, Schulden in Fremdwährungen aufzunehmen<br />
und dafür hochverzinsliche russische<br />
Staatsanleihen zu erwerben, so daß nur wenig Kapital<br />
in realwirtschaftliche Aktivitäten floß.<br />
– Das öffentliche Finanzwesen ist in einem desolaten<br />
Zustand. Die Steuerverwaltung ist ineffizient, die<br />
Zentralregierung ist nicht in der Lage, die ihr zustehenden<br />
Steuereinnahmen zu erzielen. Die Steuerquote<br />
und Abgabenquote waren in den letzten Jahren stark<br />
rückläufig, weil die Steuerbasis aufgrund von zahlreichen<br />
Ausnahmetatbeständen und Steuerbefreiungen<br />
für ganze Sektoren sehr schmal, die Steuermoral bei<br />
Unternehmen und in der Bevölkerung sehr niedrig ist.<br />
Der Internationale Währungsfonds hat im Gegenzug<br />
für seine Kreditzusagen Reformen verlangt, die diese<br />
Probleme angehen. Dementsprechend sah das Programm<br />
der russischen Regierung vom 16. Juli <strong>1<strong>99</strong>8</strong><br />
vor, die Besteuerungsbasis zu verbreitern. Dies gelang<br />
angesichts politischer Widerstände jedoch nicht. So<br />
besteht im russischen Steuersystem unverändert ein<br />
hoher Grad an Intransparenz: Es gelten mehr als<br />
2 000 Einzelgesetze mit teilweise widersprüchlichen<br />
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode Drucksache 14/73<br />
Auslegungen, und es gibt mehr als 200 Bundes-, Regional-<br />
und Kommunalsteuern.<br />
Die Probleme Rußlands, die zu der diesjährigen Krise<br />
führten, sind somit in erster Linie auf interne Versäumnisse<br />
<strong>zur</strong>ückzuführen, daß das Land in der Risikoeinschätzung<br />
im Zusammenhang mit den Turbulenzen an<br />
den internationalen Finanzmärkten neu bewertet wurde,<br />
war unvermeidlich. Das Einschwenken auf einen stabilen<br />
Transformationspfad ist nur möglich, wenn ein politischer<br />
und gesellschaftlicher Konsens zustandekommt,<br />
die notwendigen ordnungspolitischen Reformen zu ergreifen<br />
und durchzusetzen.<br />
Gravierende Angebotsprobleme in Japan<br />
52. In den neunziger Jahren verzeichnete Japan eine<br />
überaus enttäuschende gesamtwirtschaftliche Entwicklung.<br />
In vielerlei Hinsicht hatte das Konsequenzen und<br />
birgt das Gefahren nicht nur für die aufstrebenden Nachbarländer<br />
Japans. Es gab in den letzten Jahren starke<br />
Tendenzen der japanischen Industrie, insbesondere arbeitsintensive<br />
Produktionsprozesse in asiatische Niedriglohnländer<br />
zu verlagern, um mit den eigenen Exporten<br />
international wettbewerbsfähig zu bleiben. Japan gewann<br />
als Direktinvestor in Asien stark an Bedeutung, aber die<br />
insgesamt relativ schwache (und zuletzt noch deutlich<br />
schwächer tendierende) Binnenwirtschaft entfaltete einen<br />
ungenügenden Importsog für Produkte aus dieser<br />
Region. Da japanische Banken – angesichts vergleichsweise<br />
hoher Renditen in Asien – in großem Umfang als<br />
Kreditgeber in dieser Region auftraten, wurden so der<br />
Investitionsboom in den Schwellenländern zu einem<br />
guten Teil mitfinanziert und die Überhitzungserscheinungen<br />
mitverursacht. Die krisenhafte Zuspitzung in<br />
Japan hat über ein daraufhin reduziertes Engagement<br />
japanischer Banken in den Nachbarländern das Ausmaß<br />
der Asien-Krise noch verschärft.<br />
Seit einiger Zeit besteht überdies die Besorgnis, Japan,<br />
der weltgrößte Gläubiger, könne durch den Verkauf<br />
seiner Aktiva in den Vereinigten Staaten und den Transfer<br />
dringend benötigter Liquidität in den eigenen labilen<br />
Bankensektor die Weltwirtschaft destabilisieren. Dem<br />
daraus erwachsenden Abwertungsdruck auf den<br />
US-Dollar müßte die amerikanische Notenbank aufgrund<br />
des drohenden Inflationsimports mit Zinserhöhungen<br />
begegnen. Damit würde die wirtschaftliche Entwicklung<br />
gedämpft, mit negativen Rückwirkungen für die Handelspartner<br />
vor allem in Lateinamerika, aber auch<br />
in Europa, wo der Euro unter Aufwertungsdruck geriete<br />
und die Exportnachfrage entsprechend nachließe. Diesem<br />
Szenario messen wir nur eine geringe Wahrscheinlichkeit<br />
bei, da die amerikanischen Anlagen im Gegensatz<br />
zu den Alternativen am heimischen japanischen<br />
Markt rentabel verzinst sind. Daß sich Japan wirtschaftspolitisch<br />
in einer äußerst prekären Situation befindet,<br />
steht in mehr oder weniger direktem Zusammenhang<br />
mit den Folgen der spekulativen Aufblähung der<br />
Vermögenswerte in der zweiten Hälfte der achtziger<br />
Jahre.<br />
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