aia 1 pdf - Slavko Kacunko

wirklich in die Alltagskultur vordrangen und schließlich doch der Musealisierung
anheim fielen. Der Prototyp für all diese Versuche und zugleich
für ihr Scheitern sind zweifellos Duchamps Rotoreliefs, ein Set von bedruckten
Pappscheiben, die, auf dem heimischen Plattenteller in Rotation
versetzt, jeweils bestimmte optische Effekte erzeugen. Duchamp hatte in
den 1930er Jahren tatsächlich die Hoffnung, diese Scheiben als preiswertes
Massenprodukt zu vermarkten, was jedoch schon beim allerersten Testlauf
auf der Pariser Erfindermesse des Concours Lepiné 1935 zum völligen
Mißerfolg geriet. Sowohl die Rotoreliefs als auch die Edition mat und die
Fluxusboxen waren Versuche, ein neues Genre oder Medium zu lancieren,
das nicht in die bestehenden Distributionsstrukturen von Kunst paßt
– aber diese letztlich weder überwinden noch verändern konnte.
Vor allem die Rotoreliefs haben überraschende Parallelen zur Idee von
Kunst auf CD-ROM, versuchte Duchamp doch, mit diesen Scheiben eine
neue ›Software‹ auf den Markt zu bringen, die den sonst nur akustisch
funktionierenden Plattenspieler in ein audiovisuelles, d.h. ›multimediales‹
Gerät verwandelt. Tatsächlich vollzieht sich heute die Verwandlung der
vor zehn Jahren auf den Markt gebrachten Audio-cd in einen multimedialen
Datenträger als CD-ROM. Damit hören die Parallelen aber schon auf,
denn Duchamps wenig erfolgreiches Experiment ist natürlich völlig irrelevant
für den CD-ROM-Boom. Es fällt schwer, beides überhaupt zu vergleichen,
da es keinen gemeinsamen Hintergrund gibt. Dies zeigt die generelle
Schwierigkeit, künstlerische Modelle und Visionen in Beziehung zur
industriellen und technologischen Realität zu setzen – sogar wenn die
künstlerische Vision der Technologie um Jahrzehnte vorausgeeilt ist.
Die Idee, Kunst auf CD-ROM zu publizieren, trägt in sich die Geschichte
dieser erprobten, erfüllten oder enttäuschten Versuche einer Grenzüber-
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