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aia 1 pdf - Slavko Kacunko

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er dort war, es gesehen habe – vielleicht ohne sich die Karte überhaupt anzuschauen;<br />

das überläßt er dem Adressaten, dem Leser (›fernsehen‹ dank<br />

postalischer Vermittlung). Der Betrachter ist immer in einer anderen Zeit<br />

als der Zeit des Bildes.<br />

Eine Fotografie ist eine undynamische Beobachtungsform; sie ist Öffentlichkeit<br />

im Geheimen und Verborgenen. Ihre Existenz birgt die Gefahr<br />

in sich, daß nichts mehr vollständig verschwinden kann, sondern sich<br />

vielmehr nur in Raum und Zeit verschiebt und unkontrollierbar wird.<br />

Das Geheimnis kommt ans Licht, damit der Akt des Sehens beobachtet<br />

werden kann und zu einem Rätsel wird. Merkwürdig, daß die Postkarten<br />

– die ja größtenteils gemacht werden, um nicht dort zu sein, wo sie entstanden<br />

sind, sondern um diesen Schauplatz an andere Orte reisen zu lassen<br />

– zu Wächtern jener Zeit werden, die zu diesem Schauplatz gehört.<br />

Der Poststempel und die auf die Karte geschriebenen Zeilen werden zu<br />

einer zufälligen Chronologie des Zeitraums vom in ungewisse Ferne reichenden<br />

›Es war einmal‹ bis zum Heute. Das offenliegende Bild, das zur<br />

Versendung bestimmt ist, ist eines der seltsamsten Bilder: Es wird auf der<br />

Ansichtskarte mit beliebigen banalen persönlichen Nachrichten kombiniert.<br />

Auch wenn die Nachrichten in einige wenige Gruppen sortiert werden<br />

können, bedeuten drei Millionen verschickter Postkarten mit dem<br />

›Diskos von Phaistos‹ doch drei Millionen verschiedene Adressaten.<br />

Die Postbriefkarte und die nachfolgende Ansichtskarte sind ein Produkt<br />

der sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. In einem populären<br />

historischen Überblick heißt es: ›Die Idee wurde erstmals 1865<br />

auf dem 5. Deutschen Postkongreß in Karlsruhe von dem preußischen<br />

Rat Dr. Heinrich von Stephan vorgetragen [ ... ]. Er schlug die Einführung<br />

eines Postblattes in der Größe eines Briefumschlages mit eingedrucktem<br />

Postwertzeichen vor.‹ Man verwarf damals den Vorschlag, da man<br />

meinte, die offene Form der Mitteilung stehe im Widerspruch zum garantierten<br />

Postgeheimnis. Die Postkarte setzt sich jedoch durch, und mit der<br />

185<br />

artintact 3

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