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aia 1 pdf - Slavko Kacunko

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tigen, bemerkt der holländische Autor Ian Buruma: ›Da es so vieles enthält,<br />

liest jeder etwas anderes aus diesem Tagebuch heraus, genau wie bei<br />

jedem anderen komplexen Werk auch‹, schließlich ›möchte eben jeder<br />

seine eigene Anne‹. 14<br />

XI<br />

Das Haus, in dem ich wohne, diente während des Krieges ebenfalls als<br />

Versteck für Juden. Es befindet sich am Rande des ehemaligen jüdischen<br />

Ghettos, das 1941 in der Innenstadt von Amsterdam eingerichtet worden<br />

war. Ich lebe hier seit 23 Jahren, und es muß jetzt etwa 20 Jahre her sein,<br />

daß ich den Dachboden aufräumte und in einer Spalte zwischen den<br />

Dachlatten und der sie stützenden Wand eine Reihe verstaubter Päckchen<br />

fand. In der Hülle, die einmal Packpapier gewesen sein mochte, befanden<br />

sich verschiedene persönliche Papiere, ein Kalender, ein Paß, zerknitterte<br />

Fotografien, Seifenstücke, ein Päckchen Rasierklingen, zwei Lippenstifte,<br />

eine Tüte Talgpuder und eine kleine Schachtel Kaffeebohnen. Diese<br />

Dingen gehörten L. C., einem Juden, der offensichtlich ein Musikgeschäft<br />

betrieben hatte und der – wie auf den Fotografien zu sehen war – auch als<br />

eine Art Clown aufgetreten war (was die Schminkutensilien erklärt).<br />

Natürlich las ich mir all diese Dokumente wieder und wieder durch und<br />

versuchte, mir einen Reim darauf zu machen. Ohne großen Erfolg. Die<br />

Notizen im Kalender (ein Taschenkalender von 1942, von der niederländischen<br />

Zweigstelle von Siemens in Den Haag herausgegeben) waren<br />

besonders schwer zu verstehen. Es ist ungewiß, ob sie in irgendeinem<br />

Zusammenhang zum jeweiligen Datum stehen, und ihr Inhalt ist sehr<br />

rätselhaft. Während des Schreibens an diesem Text über persönliche<br />

Memorabilien hatte ich plötzlich das Bedürfnis, noch einmal den Spuren<br />

der Menschen, die im selben Haus gelebt hatten wie ich, nachzugehen.<br />

14. Ian Buruma: ›The Afterlife of Anne Frank.‹ – The New York Review of Books, 19.<br />

Februar 1998.<br />

341<br />

artintact 5

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