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3. - Schlösser-Magazin

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VI. Interpretation of the Palace Gardens as a whole: Dr. Michael Niedermeier<br />

Codex Laureshamensis (Lorscher Codex, zw. 1167-1190) war die Schenkungskunde<br />

von Suezzingen durch Karl den Großen übermittelt, hier war aber auch von einer<br />

„Villa que dictur in Sozinga“ die Rede. 20 Dass der Kurfürst Friedrich I., der Siegreiche,<br />

(1425-1476) in der Schlacht „in den Ebenen von Schwetzingen“ 21 die Kurpfalz stärkte<br />

und ab 1465 im Bündnis mit Karl dem Kühnen von Burgund gegen seine Feinde<br />

erfolgreich verteidigen konnte, gehörte zu der bedeutenden Vorgeschichte des<br />

Ortes der Sommerresidenz. Zudem weisen die Achsbeziehungen der Gartenanlage<br />

sowie die Blickachsen vom Minarett, vom Merkurtempel und von der „Ruine einer<br />

römischen Wasserleitung“ dezidiert auf die pfälzischen Residenzstädte Mannheim<br />

und Heidelberg. Es wurden kolossalfigurige Sinnbilder der Flüsse Rhein und Donau<br />

am See beim Merkurtempel aufgestellt, zwei ähnliche allegorische Figuren, die Maas<br />

und die Mosel, geografisch im Gebiet des angestrebten Königreichs Burgund liegend,<br />

wurden zwar geplant, aber nicht ausgeführt. 22 Die Flussfiguren sollten auf das wirkliche<br />

und das angestrebte kurfürstliche Herrschaftsgebiet verweisen. Die „Perspektiv“<br />

genannte, an die Illusionsmalerei der Jesuitenkirchen erinnernde kongenial gemalte<br />

perspektivische Landschaft nach einer Vorlage von Hofmaler Ferdinand Kobell – einer<br />

der unverwechselbaren Höhepunkte Schwetzingens –, nahm offenbar die kurpfälzische<br />

Memorialfigur auf. Im Badehaus, das sehr wahrscheinlich an die Idee eines<br />

römischen Bades erinnerte, das gerade in diesen Jahren in geringer Entfernung von<br />

Schwetzingen bei Ausgrabungen entdeckt und vom Kurfürsten unter Schutz gestellt<br />

worden war, 23 lebte der von Außenwelt des Gartens völlig abgeschlossene einzige<br />

Bewohner des Badehauses, Carl Theodor, in seinem eigenen exotischen Innenraum.<br />

Der Blick der perspektivischen Fernsicht vermochte sowohl in eine imaginierte<br />

Zukunft wie auch in eine vorgestellte Vergangenheit gelenkt werden. Als Vorbild für<br />

die Landschaft hatte Kobell offenbar den Zusammenfluss von Rhein und Neckar bei<br />

Mannheim vor Augen, allerdings als paradiesische Landschaft ohne Bebauung. 24<br />

Die Bedeutung der Vorgeschichte für die Standortwahl und die Gartengestaltung<br />

geht aber noch viel weiter. Es war dezidiert die Frühgeschichte, auf die im Garten<br />

von Schwetzingen reagiert wurde, und es dürften gerade die vertrauten Berater<br />

die Kurfürsten, die gelehrten Jesuiten, gewesen sein, die auf die Bedeutung der<br />

Vor- und Frühgeschichte aufmerksam gemacht haben. Mit einem kurfürstlichen<br />

Erlass vom 29. August 1749 wurden alle Ämter angewiesen, jegliche in den<br />

Rheingegenden gefundenen „antiquitaten und andere monumenta“ zu melden und<br />

„Ihrer Churfürst[lichen] D[urchlaucht]“ selbst zuzusenden. Der Kurfürst schloss sich<br />

damit einer Entwicklung fürstlicher Herrscherhäuser in ganz Europa an, archäologische<br />

Funde, die in der eigenen Landschaft gemacht wurden, zu sammeln und als<br />

Denkmäler eigener heroischer Vorgeschichte zu präsentieren. 25 Die Einbeziehung<br />

heimischer Fundstücke in die eigene herrschaftliche Gartenanlage begann erst um<br />

diese Zeit (z.B. Ledreborg, Jägerspreis, Dänemark; Stourhead, Großbritannien), und<br />

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VI.<br />

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