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3. - Schlösser-Magazin

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VI. Interpretation of the Palace Gardens as a whole: Dr. Michael Niedermeier<br />

von vornherein einfach einer kuriosen Sammelleidenschaft oder einem volksbildenden<br />

Anspruchs wegen in den herrschaftlichen Garten eingestellt worden. Sie waren oftmals<br />

zugleich Denkmäler eigener (fiktiver) Herrscherabstammung, die die eigene Dynastie in<br />

eine große Traditionslinie zu stellen unternahm und anhand von „echten“ Denkmälern,<br />

fantasievollen Nachbauten, aber auch künstlich gestalteten Ruinen beweisführend mit<br />

einem Ewigkeitsanspruch in der Landschaft verorteten.<br />

Die Jesuiten, wie der Hofastronom und Mathematikprofessor P. Christian Meyer<br />

– seine Sternwarte befand sich bezeichnenderweise auch auf dem Dach des<br />

Schwetzinger Schlosses – und der Erzieher und Vertraute des Kurfürsten P.<br />

Franz Seedorf – er bewohnte vor dem Schloss in Schwetzingen ein stattliches<br />

Haus, das heutige Palais Hirsch – vertraten einen universalen, welt- und<br />

zeitenumspannenden Wissensanspruch. Die verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Entwicklungsstufen, Weltregionen, Religionen und Philosophien waren bei den durch<br />

das Renaissancewissen geprägten Jesuiten in den Erscheinungen und Ausprägungen<br />

prinzipiell vergleichbar und standen letztlich für die gleiche Offenbarung Gottes. Da<br />

sie sich unter diesen Prämissen den herrschenden fremden Kulturen anzupassen<br />

wussten, gehörten die Jesuiten zu den Ersten, die diese Kulturen zu erforschen<br />

und zu verstehen in der Lage waren und erste belastbare Erkenntnisse aus den<br />

fernsten Weltgegenden nach Europa brachten. So gelang es ihnen auch, fremde<br />

Zivilisationen und Zeitalter, wie die des alten Ägyptens, zu erforschen und zu erklären.<br />

Einer ihrer einflussreichsten intellektuellen Köpfe, P. Athanasius Kircher, „der letzte<br />

Universalgelehrte“, versuchte durch mystische Intuition und enormes Spezial- und<br />

Breitenwissen, die Kulturen zu überblicken und lesbar zu machen. Und so schaffte<br />

er, von der antiken Theologie ausgehend, eine vergleichende Religions- und<br />

Weltenkunde, bei der er die Artefakte aller Völker als Ausdruck einer Form christlicher<br />

göttlicher Glaubensinhalte interpretierte. Kircher sah den Polytheismus und die<br />

Götzenverehrung der Ägypter als den Ursprung der griechischen und römischen<br />

Religion an, aber auch als den Ausgangspunkt des Glaubens der späteren Hebräer,<br />

der Chaldäer, die Inder, Chinesen, Japaner, Türken und Indianer Amerikas. 30 Da sich<br />

alle Stämme und alles Wissen von Adam und Noah ableiteten – eine spiegelbildliche<br />

familiengenealogische Struktur findet sich seit der Renaissance auch in allen<br />

altfürstlichen Herrscherabstammungen Europas und selbst der Genealogie der Päpste<br />

auf dem Heiligen Stuhl – hätten sie alle Anteil an der gleichen Urüberlieferung und<br />

seien vom gleichen heiligen Numen (Heiligen Geist) inspiriert. 31<br />

IV. Das Spiel mit antikisch-naturmystischen und arkanen Motiven und Symbolen<br />

ist für viele frühe „englische“ Gärten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im<br />

Alten Reich signifikant (u.a. Sanssouci, Gotha, Wörlitz, Neuer Garten, Hohenzieritz,<br />

Machern, Neuwaldsegg, Vöslau, Schönau), aber auch für verschiedene britische,<br />

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VI.<br />

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