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3. - Schlösser-Magazin

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VI. Interpretation of the Palace Gardens as a whole: Dr. Michael Niedermeier<br />

Der 1748 angelegte Marktplatz vollendet, der Zirkel aber krönt die vorhandene barocke<br />

Grundstruktur von Schwetzingen.“ 53 Tatsächlich entspricht der Kreis in Verbindung<br />

mit dem Kreuz, der auch in der Grundfigur des Schwetzinger Gartens eingeflossen<br />

ist, der hieroglyphischen Monade Kirchers, die sich auch im Caduceus des Merkur<br />

oder dem Nil-Schlüssel des Anubis spiegelt. Kircher sah hierin ein Symbol des<br />

göttlichen Weltsystems: im Kreis das ptolemäische Universum mit den Planetenbahnen<br />

und Fixsternen, während das Kreuz die vier Elemente symbolisiert. 54 Die Kreis-/<br />

Sphärenform war auf jeden Fall die universal integrierende Metapher des Jesuiten, sie<br />

war Ausdruck der sinnfälligen „geschlossenen“ Unendlichkeit und universalen Ordnung<br />

der Dinge. Durch seine Kombinatorik gelang es Kircher, islamische Alchemie, jüdische<br />

Kabbala, persische Magie, chaldäische Astrologie oder zoroastische Mysterien im<br />

Sinne eines „Alles in Allem“ zu vereinigen. „Die ursprüngliche Zweckbestimmung<br />

der Zirkelgebäude als Orangerien spannt den ikonografischen Bogen von der reinen<br />

Utopie der Geometrie zu einer im Garten verankerten Ikonografie des Goldenen<br />

Zeitalters und damit, so kann zu Recht vermutet werden, als kanonische Anspielung<br />

zur Ideengeschichte des Gartens selbst. Im Gedächtnis des gebildeten Besuchers der<br />

Zeit ruft dies Beispiele wie die mythische Insel Kythera aus dem wirkungsgeschichtlich<br />

wichtigen Werk von Francesco Colonna (1499) oder die programmatische Form<br />

des botanischen Gartens in Padua mit schon im Mittelalter gängigen Bezügen zum<br />

kosmologischen Sinnbild des Himmels hervor.“ 55 In dieser Hinsicht lässt sich auch eine<br />

ideelle Verbindung zum Apollotempel herstellen, war doch Merkur derjenige, der von<br />

Apollo durch sein Spiel auf der Leier zur eigenen Musik angeregt worden war. Apollo<br />

hatte von Merkur das Musikinstrument im Tausch gegen die Rinder und das Lehren<br />

der Wahrsagekunst erlangt. 56 Die sphärische Musik, wie sie in Apollos musikalischem<br />

Wirken erlebbar wird, war auch nach Kircher höchster Ausdruck göttlicher Harmonie. 57<br />

Auf der Westseite zeigt sich der Tempelbau durch die vielen auf dem Geländer<br />

angebrachten vergoldeten Sonnenallegorien als Apollo-Sonnen-Tempel. Hier kulminiert<br />

das kosmologische Programm des Gartens, das im Badhaus mit dem Deckengemälde<br />

„Die Morgenröte (Aurora) vertreibt die Nacht“ aufgenommen wurde und in der Moschee<br />

mit den diversen Mond- und Sternensymbolen seinen Endpunkt findet.<br />

Der Bau der Moschee im „jardin turc“ in Schwetzingen, ähnelt mit den zwei Minaretten<br />

der nicht erhaltenen Moschee aus Kew Gardens (entstanden um 1763). Neben<br />

dem Modecharakter dieser orientalisierenden Gartenbauten zeigen die sorgsam<br />

ausgewählten arabischen Inschriften der Moschee, dass es für die Erbauer offenbar<br />

um ein ambitioniertes Ziel ging, „eine Elite der Tugendhaften und nach Weisheit<br />

Strebenden anzusprechen und heranzubilden. Nicht auszuschließen ist zudem,<br />

dass in einem Zeitalter, in dem höfische Überfeinerung und Stilisierung, Lust an der<br />

Allusion und am Geheimnis, aber auch der Zwang zur Vorsicht aus politischen und<br />

moralischen Gründen eine so bedeutsame Rolle spielten, die Sprüche eine direkte und<br />

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VI.<br />

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