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3. - Schlösser-Magazin

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VI. Interpretation of the Palace Gardens as a whole: Dr. Michael Niedermeier<br />

denn Merkur war in der Vorstellung antiker Schriftsteller, aber auch Kirchers und in<br />

seiner Folge auch anderer – nicht nur der Freimaurer – gleich dem ägyptischen Anubis,<br />

dem Führer in die Unterwelt. 42 In Athanasius Kirchers „Oedipus Aegyptiacus“ (1653)<br />

wurde das Sefiroth-Baum-Schema, das Herzstück der Kabbala, mit seinen zehn<br />

Urzahlen oder Potenzen Gottes als Grundriss des Salomonischen Tempels oktogonal<br />

entwickelt. Anklänge an den jesuitischen Universalentwurf mögen beim Entwurf<br />

des Merkurtempels in Schwetzingen eine Rolle gespielt haben. Eine beim Bau des<br />

Merkurtempels von Kircher herrührende bewusste Anspielung auf den Tempel Salomos<br />

oder die astronomische und kosmologische Häuserlehre mit dem Merkur im Zentrum<br />

(Sonne) im Sinne Ptolemaios, des Manilius, des Hyginus, den Architekturkonzepten<br />

Vitruvs oder der „Hypnerotomachia Poliphili“ lassen sich immerhin vermuten. 43<br />

Ebenso kann das Grabmal des Königs Moeris Anregungen gegeben haben, ein „Irr-<br />

Gebäue”, das nach den „zwölff Egyptischen Landschafften in zwölff Höfe” eingeteilt<br />

und voller Pyramiden und Lustgänge gewesen sei. („Oedipvs Aegyptiacvs“ 44 ; „Turris<br />

Babel“ 45 ). Bei Abbé Jean de Terrasson, der seinen „König Sethos“-Roman (1731) in der<br />

Nachfolge des Telemachos als Erziehungsroman für Fürstensöhne geschrieben hatte,<br />

führt Merkur oder Orpheus die Toten in das labyrinthische Totenreich der ägyptischen<br />

Könige am See Möris, der vom Seelenschiffer Charon befahren wird, ein. 46 Die Tempel<br />

der Ägypter waren demnach als große mit Gärten angelegte Grabanlagen gestaltet,<br />

in deren Innerem sich die Höhle des Merkur befand; ein Saal, der der Naturhistorie<br />

gewidmet war. Der berühmte Merkur von Theben oder Hermes Trismegistos wird<br />

hier als der Bewahrer der chemischen Weisheiten angesehen. 47 Betrachtet man den<br />

Merkurtempel vor dem Hintergrund der jüngsten Zeitgeschichte in der Kurpfalz, lassen<br />

die am Tempel erhaltenen Reliefs eine weitere Assoziation zu. Das Relief, das Merkur<br />

zeigt, wie er den gegen Jupiter und die göttliche Ordnung aufbegehrenden Prometheus<br />

an den Kaukasus fesselt, könnte eine Anspielung auf den 1786 verstorbenen großen<br />

politischen Hauptgegenspieler des Kurfürsten Friedrich II. von Preußen transportieren.<br />

Das zweite Relief zeigt Merkur, im Begriff, den von der eifersüchtigen Gattin Juno als<br />

Wache aufgestellten allsehenden Argos zu töten. Jupiter hat die schöne Io in eine<br />

Kuh verwandelt und will sie zu seiner Geliebten nehmen. Das dritte Relief, bisher<br />

nicht eindeutig identifiziert, könnte so interpretiert werden: Io, die Jupiter am Fluss<br />

Nil den Sohn Epaphus gebar, floh vor Juno nach Ägypten, wo sie als Göttin Isis und<br />

ihr Sohn als Apis und als Erbauer von Memphis verehrt wurden, und gerät – von<br />

Juno verfolgt – mit ihrer Dienerin Inyx in einen undurchdringlichen Nebel. Merkur<br />

befreit sie daraus, „bis sie sich wieder zu Gott kehren, und ihre erste Gestalt und<br />

mögliche Gleichheit mit Gott wieder erlangen. Nat. Com. l. VIII. c. 19.“ 48 Jupiter ist auf<br />

dem Relief gekennzeichnet durch den Adler, der seine Geliebte anschaut. Die vom<br />

Geschehen wegblickende Gattin Juno hat als Attribut den Pfau bei sich, auf dessen<br />

Schwanzfedern sie die hundert Augen des toten Argus gesetzt hat. 49 Die explizite<br />

- 13 -<br />

VI.<br />

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