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Fremde Bilder - Stiftung Bildung und Entwicklung

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Sklaverei: Unterrichtsmaterial<br />

der flossen, hat Jung in seinem Bericht weitgehend<br />

ausgeklammert.<br />

Unter dem Präsidium des Säckelmeisters<br />

nahm die Zinskommission Leu et Compagnie<br />

im April 1755 ihre Geschäftstätigkeit auf <strong>und</strong><br />

zwar im Zürcher Rathaus. Entsprechend der<br />

Örtlichkeit gab sie Rathausobligationen aus,<br />

die sich schon bald grosser Nachfrage erfreuten.<br />

Nach der Plünderung der Staatskasse durch<br />

die Franzosen erklärte die Zinskommission<br />

1798 die Vermögenswerte der Bank als Privateigentum.<br />

Ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert später mutierte<br />

das Institut zur «Aktiengesellschaft Leu<br />

& Comp.». Später wurde daraus die Bank Leu,<br />

die 1990 von der CS Holding geschluckt <strong>und</strong><br />

2007 mit anderen Privatbanken zur Clariden<br />

Leu fusioniert wurde.<br />

Einblick ins Archiv verweigert<br />

Der Ursprung des hier beschriebenen Konflikts<br />

liegt in der Kreditvergabe der Zinskommission<br />

im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert. Bekannt ist etwa, dass das<br />

Zürcher Institut Aktien der französischen<br />

Compagnie des Indes hielt. Diese soll in über<br />

100 Expeditionen mehr als 45 000 Menschen<br />

aus Afrika in die Sklaverei deportiert haben.<br />

Ebenso weiss man, dass sich die Bank an einer<br />

dänischen Anleihe beteiligte, mit der die Antilleninseln<br />

St. John, St. Croix <strong>und</strong> St. Thomas<br />

erworben wurden – ein Umschlagplatz für<br />

Sklavinnen <strong>und</strong> Sklaven.<br />

Um die Rolle der Zinskommission Leu <strong>und</strong><br />

deren Geldgeber genauer zu erforschen, verlangen<br />

Historiker seit Jahren Einblick in die<br />

damaligen Dokumente. Rechtsnachfolgerin<br />

<strong>und</strong> damit Eigentümerin derselben ist Clariden<br />

Leu. Verwaltet wird das Archiv von der Muttergesellschaft<br />

Credit Suisse.<br />

Bankgeheimnis für Tote<br />

Die CS hat den Zugang zum Archiv noch vor<br />

drei Jahren mit dem Hinweis auf das Bankk<strong>und</strong>engeheimnis<br />

verweigert. Damit hat sie<br />

zwei alternative Gemeinderäte aus dem Busch<br />

geklopft, die im Oktober 2007 ein immer noch<br />

hängiges Postulat zum Thema einreichten.<br />

In der Begründung schreiben sie: «Die Rede ist<br />

von K<strong>und</strong>en, welche sich längst in Staub <strong>und</strong><br />

Asche aufgelöst haben! Diese haben nichts<br />

mehr zu verheimlichen <strong>und</strong> bedürfen auch<br />

keines Schutzes mehr.» Auch die Idee, potenzielle<br />

Nachfahren zu schützen, bezeichnen die<br />

Politiker als «absurd». Selbst die «Neue Zürcher<br />

Zeitung» bezeichnete den CS-Hinweis auf<br />

das Bankgeheimnis als eine «etwas eigenartige<br />

Begründung».<br />

Tatsächlich kann man sich fragen, ob eine<br />

Gesetzesbestimmung von 1934 zum Schutz<br />

von Personen des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts herbeigezogen<br />

werden kann. Faktisch ist das möglich,<br />

sagt Beat von Rechenberg, Rechtsanwalt der<br />

Kanzlei CMS von Erlach Henrici. Voraussetzung<br />

sei allerdings, dass die Nachfolgebanken der<br />

Zinskommission Leu alle Rechte <strong>und</strong> Pflichten<br />

übernommen hätten. Sei dies der Fall, komme<br />

dem Bankgeheimnis Rechtsrelevanz zu. «Das<br />

ist schlecht für die Historiker, aber gut für die<br />

Rechtssicherheit», folgert von Rechenberg.<br />

Ähnlich argumentiert der Jurist in der Frage<br />

des halbstaatlichen Charakters der Zinskommission<br />

unter dem Präsidium des Säckelmeisters:<br />

«Wenn die Zinskommission Leu vollständig<br />

<strong>und</strong> ganz übernommen worden ist, dann<br />

ist sie privatisiert worden.» Die Postulanten<br />

argumentieren mit Verweis auf die Halbstaatlichkeit<br />

politisch: «Es geht nicht an, dass eine<br />

private Bank einen Teil Stadtgeschichte unter<br />

Verschluss hält.»<br />

Historiker holt Hilfe in Chicago<br />

Die Zürcher Stadtregierung wurde vom Gemeindeparlament<br />

dazu verknurrt, die Credit<br />

Suisse zum Öffnen des Archivs zu bewegen.<br />

Bis heute ohne Erfolg. Die Fronten scheinen<br />

verhärtet, nicht zuletzt, weil der St. Galler<br />

Historiker <strong>und</strong> Sklavereiexperte Hans Fässler<br />

Druck gegen die Grossbank aufbaut. So<br />

schrieb er Ende Januar Richard M. Daley an,<br />

den Bürgermeister von Chicago. Die US-Stadt<br />

kennt seit 2002 ein Gesetz, das sie verpflichtet,<br />

nur mit Unternehmen zu geschäften, die<br />

ihre allfällige Vergangenheit im Kontext der<br />

Sklaverei aufgearbeitet haben. Dass Fässler in<br />

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